Der Kaiser des Abendlandes
sein, ihn zu täuschen.«
»So ist es«, stimmte Henri zu. »Wir werden jeden Schritt gründlich planen müssen.«
Suleiman verabschiedete sich und eilte davon. Er wirkte keineswegs erleichtert.
Er wartete ungeduldig, bis Layla und Nur den großen Tisch vom Rand der Terrasse des Harems in den Schatten getragen hatten. Layla spürte seine Blicke und lächelte, während sie ihre Hüften auffordernd bewegte. Sie ist noch immer eine schöne, begehrenswerte Frau, dachte Suleiman. Sie hatte ihn in die wollüstigen Freuden der körperlichen Liebe eingeweiht, damals, als sie erkannt hatte, dass er dazu reif genug war. Auch davon wusste sein Vater nichts. Seit er Mariam liebte, hatte er Layla nicht wieder berührt, und sie schien zu wissen, was der Grund dafür war. Er lächelte zurück, dankte ihr und breitete sein Schreibzeug auf der Tischplatte aus. Er las, was er bisher geschrieben hatte, ordnete seine Gedanken und begann zunächst das Papier zu beschreiben. Es war weniger teuer als das gebleichte und gekalkte Pergament.
Abu Lahab ben Taimiya aus Jerusalem, der Prächtigen, sendet dem Kaiser des Abendlands dieses untertänige Schreiben.
Im Namen Allahs, des Allerbarmers! Es mag Euch, Eure Hoheit, fürwahr erstaunen, von mir, den Ihr noch nicht kennt und der sich vor Euch tief verneigt, ein Sendschreiben zu erhalten. Betrachtet diesen Brief ohne Argwohn und mit dem Blick des weisen Herrschers.
Suleiman betrachtete die Zeilen, las jedes Wort drei Mal und nickte zufrieden. Die Feder raschelte und kratzte weiter auf dem Papierbogen.
Ich, Abu Lahab ben Taimiya, Hersteller einfacher, wiewohl meisterlicher Schwerter aus jenem Stahl, den Ihr als Damaszenerstahl kennt, bin ein mächtiger Mann in Jerusalem. Der Emir der Mamelucken ist, Allah sei Dank, zu mir wie ein Bruder. Es ist sein Wunsch ebenso wie meiner, dass Ihr Eures Glaubens entsaget und zur einzig wahren Religion, zum Islam, übertretet. Wenn dies geschehen ist, werden wir Euch im Triumph hierher geleiten, und ich, Abu Lahab, werde an der Seite des Emirs über die Stadt gebieten.
Wieder las Suleiman das Geschriebene durch und versuchte zweierlei: Würde der Kaiser – den es nicht gab – beim Lesen eines solchen Briefes außer sich geraten und das Pergament wütend verbrennen? Und waren es nicht nur sinngemäß die Worte, die sein Vater geschrieben haben könnte? Zu anmaßend? Aber ein Muslim, sicher in seinem Glauben, bat einen Ungläubigen nicht, sondern forderte mit Nachdruck! Wenn abends sein Vater zurückkam, würde es sich zeigen.
Eine Gestalt schob sich zwischen das Sonnenlicht im Garten und den verstreuten Blättern auf der Tischplatte. Suleiman hob den Kopf und blickte in Laylas Gesicht. Sie kreuzte die Unterarme und legte die Hände auf ihre Brüste.
»Seit viel zu langer Zeit schenkt mir der junge Herr des Hauses weder einen liebevollen Blick noch ein freundliches Lächeln.«
Der Klang ihrer dunklen Stimme weckte Erinnerungen, an die er besser nicht denken sollte, sagte sich Suleiman. Im selben Augenblick schoss ein aberwitziger Gedanke durch seinen Kopf, kaum aberwitziger als die Zeilen, die er gerade geschrieben hatte. Er sah sich um, sie waren allein.
»Der junge Herr«, antwortete er ausweichend, »will den Schmerz der Vergangenheit nicht wieder wecken. Ich bin älter geworden und in den meisten Nächten nicht dort, wo du mich damals gefunden hast.«
Unter dem dünnen Schleier sah er ihre großen, dunklen Augen und das rabenschwarz schimmernde Haar. Und unter den leichten Gewändern ahnte er ihren geschmeidigen Körper. Deutlich erinnerte er sich an den Duft ihrer Haut. Er nickte und lächelte ein wenig traurig; die Erinnerungen waren noch frisch.
»Ich weiß seit langem, dass du bei einer anderen bist, o Suleiman«, sagte Layla. Es klang traurig, aber nicht vorwurfsvoll. »Das ist der Lauf der Zeit. Aber ich bin allein, in allen Nächten seither.«
Noch zögerte er, zu sagen, was er dachte. Aber dann gab er sich innerlich einen Stoß und lehnte sich zurück.
»In diesem Garten«, sagte er und wählte seine Worte mit größter Sorgfalt, »zirpen es die Grillen aus den Mauern. Zum Verdruss meines Vaters, deines Herrn, liebe ich eine andere. Du weißt es längst, es ist eine Christin. Daran kann nur Allah etwas ändern, denn sie liebt mich auch. Mit dir, Layla, kann ich darüber reden. Unsere Zeit war schön. Ich möchte sie nicht missen. Aber es führt kein Weg zurück.«
Sie nickte schweigend. Sie hatte keine andere Antwort erwartet.
Er
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