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Der Kaiser des Abendlandes

Der Kaiser des Abendlandes

Titel: Der Kaiser des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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Antwort auf den Brief schon von Anfang an bei dir tragen, das ändert nichts an dem Verlauf des Geschehens.«
    »Und wie lange, glaubst du, wird das Ganze dauern?«, wollte Joshua wissen.
    »Weit weniger als einen Monat«, entgegnete Suleiman.
    Uthman nickte zustimmend. »Eher zwei Dutzend Tage.«
    »Ich bleibe hier«, sagte Henri. »Wenn Abu Lahab mit einem wirklichen, überzeugenden Kaiser reden will, so kann er das haben. Aber nur hier, in der Stadt.«
    »Nun gut«, sagte Suleiman. »Ich habe verstanden, wie wir unser Vorhaben vereinfachen können. Aber was tun wir jetzt?«
    »Wir schreiben den Antwortbrief«, sagte Uthman. »Du bringst ihn nach einer angemessenen Zeit, die ungefähr dem Ritt von Askalon nach Jerusalem entspricht, zu deinem Vater. Dein Vater liest ihn, wird hocherfreut sein und sich mit dem Kaiser, der als christlicher Pilger auftritt, hier in der Stadt treffen.« Uthman zählte die einzelnen Stationen mit verhaltenem Lächeln an den Fingern ab. »In seinem Antwortbrief sollte der Kaiser Abu Lahab erklären, dass er seinen Hass auf Juden und Christen überwinden muss, wenn er der neue Herrscher Jerusalems werden will. Dass er – nein: Von Mariam, deiner christlichen Braut, kann der Kaiser nichts wissen. Diesen Punkt kann ›Kaiser‹ Henri erst im Gespräch mit deinem Vater anschneiden.«
    »Es wird immer verwirrender!«, gestand Suleiman. »Abgesehen von dem entführten Juden – was soll ich tun?«
    »Zuerst solltest du versuchen, diesen Juden zu befreien«, sagte Joshua in bisher ungewohnter Schärfe und Deutlichkeit. »Denn du weißt – wir wissen! –, dass wir einen tüchtigen Mitstreiter brauchen und lange auf ihn gewartet haben.«
    Stille, Ruhe, Schweigen, Nachdenklichkeit – durch die Gedanken der versammelten Freunde auf dem Dach des Hauses schossen wirre Vorstellungen, Bruchstücke von irrwitzigen Plänen und solchen, die Erfolg versprachen. Nachdem in zitternder Ruhelosigkeit zwei Krüge Wein geleert worden waren, standen zwei wichtige Teile eines vielversprechenden Plans fest: Die Zeit drängte! Und alle Freunde mussten mit all ihrem Können und Wissen zusammenarbeiten. Es war an der Zeit, denn in spätestens drei Tagen würde Suleiman sich mit dem Brief in den Sattel eines Pferdes und später in den eines Rennkamels schwingen müssen.
    »Aber zuerst, noch heute Abend, kümmern wir beide uns um den Juden im Haus mit der schwarzen Tür«, sagte Suleiman.
    Sean hob die Faust und erwiderte: »Das Schwert, das den Armen hilft, wird auch dem armen Opfer der Herrschsucht deines Vaters helfen. Gehen wir, Suleiman?«
    »Allahu akbar!«, antwortete Suleiman und schüttelte seine schwarzen Locken. »Eile ist ein Geschenk des Satans! Wir warten, bis sich gnädige Dunkelheit über die Stadt senkt. Den Weg zu diesem bewussten Haus finde ich auch mit verbundenen Augen.«
    »Du weißt, dass ich dir vertraue«, sagte Sean.
    Suleiman wandte sich an Joshua und bat: »Wenn ich nicht selbst zu dem gefangenen Juden durchkomme, kann ich ihm wahrscheinlich einen Zettel zustecken. Oder jemanden bestechen, der ihm die Botschaft gibt. Schreibst du mir bitte eine solche Nachricht? Sie soll ihn aufmuntern.«
    »Das tu ich gern«, sagte Joshua und nickte. Er ging zur Treppe, um in sein Studierzimmer zu gehen. »Warte ein paar Augenblicke.«
    Sean und Suleiman machten sich bereit.
    Kurz darauf kam Joshua zurück, übergab Suleiman ein zusammengefaltetes Stück Papier und erklärte: »Ich habe ihm einige tröstende Worte geschrieben: ›Warte geduldig. Du wirst bald von Freunden befreit werden. Gott schütze dich.‹«
    »Hoffentlich können wir dieses Versprechen einlösen«, sagte Sean und zog seinen Umhang über die Schwertscheide. »Ich bin neugierig, wie unser Antwortbrief des Kaisers lauten wird. Glaubst du, dass er fertig sein wird, wenn wir zurückkehren?«
    »Das hängt davon ab, wie lange ihr braucht«, antwortete Joshua und setzte seinen Fuß auf die Treppenstufe. Sorgfältig schloss Suleiman die Haustür von außen und wartete, bis er das Geräusch der Riegel hörte, die Mara vorschob.
    Nach einigen Dutzend Schritten verlangsamte Suleiman seine Schritte und sagte zu Sean: »Mein Vater, der listenreiche Wüstenfuchs, wird meine Abwesenheit für seine Pläne ausnützen. Ich bin ganz sicher, dass er mich nach Askalon geschickt hat, um zwei Wochen lang ungestört zu tun, was ihn umtreibt. Würdest du mir helfen, dass ich für diese Zeit ruhig schlafen kann?«
    Sie trabten nebeneinanderher. Suleiman

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