Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
Vom Netzwerk:
dort am Balkenende an?«
    Sie hoben das zerbrochene Kreuz in die Höhe. Der Querstamm schwang an einer dünnen Spanverbindung hin und her. Als sie nach
     draußen traten, wurden ärgerliche Stimmen laut. »Ketzer!« rief jemand. »Gottlose!« ein anderer. »Gottverfluchte Heiden!«
    Wieder in der Kirche, fand Germunt Stilla, die vor den Trümmern kniete und sie befühlte, als wollte sie dadurch verstehen,
     was geschehen war. Gerade als er sie ansprechen |327| wollte, erhob sie sich mit einem goldenen Schlüssel und dem Weihrauchfaß in den Händen und lief zum Karren.
    Es wurde eine lange Nacht. Sie fuhren die Trümmer wie Leichen aus der Stadt hinaus und begruben sie am Rande des Friedhofs.
    Einmal, als sie den leeren Karren zurückschoben, sprach Germunt den Bischof an. »Denkt Ihr, sie werden Euch aus dem Amt werfen?«
    »Ich kann meinen Standpunkt gut begründen. Sie werden es versuchen, sicherlich. Möge Gott ihnen die Augen öffnen.«
    »Und Eure Dienstleute?«
    »Am kommenden Sonntag werde ich Ihnen die Wahrheit predigen, wie ich es schon immer tue. Wer mein Handeln nicht versteht,
     kann mich fragen.«
    Montag war es, also blieb eine ganze Woche. Heute war der Tag des heiligen Basilius. Bedeutete das etwas?
    Nicht einer der Männer, nicht eine der Frauen trat zu ihnen, um ihnen zu helfen. Es war, als wären sie Geächtete. Man hielt
     Abstand zu den drei Menschen, als hätte sie eine gefährliche Krankheit befallen.
    Natürlich hätte Claudius seinen Bediensteten befehlen können, die Kirchentrümmer wegzuräumen.
Er ahnt, daß sie ihm nicht gehorchen würden,
dachte sich Germunt.
Um seine Autorität zu bewahren, transportiert er die Trümmer selbst.
Immer wieder warf er verstohlene Blicke auf den Bischof. Er kam ihm sehr menschlich vor in dieser Sommernacht, in einer eigenartigen
     Mischung von Stärke und Schwäche, von Macht und Demut.
    Auch Stilla sah er prüfend an. Sie lief neben dem Wagen, eine Hand auf den Kasten gelegt. Was ging in ihr vor? Ihre Stirn
     war zerfurcht, als würden nicht nur ihre Hände, sondern auch ihr Kopf schwere Arbeit leisten.
    Der Himmel bekam schon eine rötlich-graue Färbung, da schlossen sie die Kirchentür und rollten den Karren vor den Hühnerstall.
    |328| »Ich danke Euch. Ihr habt viel aufs Spiel gesetzt für mich.« Claudius sah sie kurz an, dann schlug er die Augen nieder. »Sie
     werden Euch nun hassen, wie sie mich hassen. Ich weiß nicht, ob Ihr eine gute Wahl getroffen habt.«
    »Was bedeuten die Menschen? Ich möchte nicht in der Hölle brennen.«
    Erstaunt sah Germunt zu Stilla hinüber. Ihr schmutziges Kleid, ihre staubigen Arme und Hände zeugten von der arbeitsamen Nacht.
Sie kennt die Schriften des Bischofs nicht …
»Warum hast du uns geholfen?«
    Stilla schwieg. Ihre Hände zitterten.
    »Hört«, begann der Bischof, »vielleicht ist es am besten, wenn Ihr im Palast schlaft. Ich möchte nicht, daß sie Euch für etwas
     bestrafen, was ich getan habe. An mich als geweihten Mann werden sie sich erst einmal nicht heranwagen.«
    Germunt hatte den Blick nicht von Stilla genommen. Sie nickte.
    Im Palast suchten sie sich Strohsäcke aus den Gästeräumen und legten sie zu Füßen von Claudius’ Bettlager nieder. Bevor sie
     sich in der Morgensonne schlafen legten, sprach Claudius ein lautes Gebet: »Vater, das war eine schwere Nacht. Vergib uns,
     daß wir nicht eher gehandelt haben. Wenn es dein Wille ist, dann halte deine Hand über unser Leben. Der Böse wütet, aber er
     ist machtlos gegen dich. Amen.«
     
    Es genügte Germunt, zwei, drei Gesichter zu sehen, um sofort jeden Gedanken daran zu verwerfen, daß es sich um ein Nachtgespinst
     gehandelt habe und alles beim alten sei. Die finsteren Blicke nicht erwidernd, begab er sich in die Schreibstube, um Theodemirs
     Brief, einige Pergamente und Schreibwerkzeug in den Palast zu holen.
    Biterolf saß an seinem Pult und schrieb. Als Germunt eintrat, sah der Notar kurz auf, blickte dann aber wieder auf sein Schriftstück
     und führte weiter die Feder.
    Germunt holte sich den Brief und das Schreibzeug. Dann |329| blieb er stehen und betrachtete mit einem Anflug von Trauer Biterolfs feine Hände, die so gar nicht zu seinem umfangreichen
     Körper passen wollten. Das trotzige Kindergesicht des Notars sah heute gealtert aus.
    »Was schreibst du?«
    Biterolf drehte die Feder in der Hand, wie er es manchmal tat, wenn er das Geschriebene noch einmal las. Er sah Germunt nicht
     an. »Kanzler Eike hat es mir

Weitere Kostenlose Bücher