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Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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wenigen Zähnen, die Haarfusseln auf dem Kopf.
Was ist, warum sprichst du nicht mehr?
    Hatte Aelfnoth überhaupt gesprochen?
    »Gott, bitte zeig mir deinen Willen!«
Würde Gott durch einen alten, kranken Mönch sprechen? Waren es nicht glänzende Engel, die er sandte?
    Ein seltsames Gefühl der Ruhe drang in ihn ein. Tränen schossen ihm in die Augen. Er preßte die Lippen aufeinander, mußte
     leise lächeln.
Ich verstehe. Du brauchst nicht immer glänzende Engel, um dich zu zeigen, und du brauchst auch keine prachtvolle Kirche. Im
     Häßlichen kannst du dich offenbaren. Was hier zerstört wurde, war Menschenwerk.
»Claudius ist im Recht. Vergib uns die jahrelange Blindheit, Allgegenwärtiger. Ich kann dich spüren, du bist hier, mehr, als
     du es je warst. Du kannst endlich vor uns treten, weil unser Blick nicht von toten Figuren gefangen ist. Sie werden ihn angreifen,
     Herr, sicher wollen sie ihn töten. Kannst du ihn nicht beschützen? Vater, halte deine Hände über diesen Mann!«
    Germunt fühlte sich wie ein Vogeljunges, das zum ersten Mal die Schwingen ausbreitet und sich vom Nestrand abstößt, um zu
     fliegen. Er sah vor sich das Bild einer schwefelgelben Hand, die die Kante eines Altars umklammert, und hörte Aelfnoths altersrauhe
     Stimme: »Rette ihn. Lösche |325| seine Schuld.« Hatte Gott ihn nicht bewahrt? Er würde sich auch um Claudius kümmern.
    Aus irgendeinem Grund wollte Germunt die Augen aufreißen, wollte sich von der Erinnerung abwenden. Aber eine unsichtbare Kraft
     zwang ihn, weiter zuzuhören, wie Aelfnoth zu Ende sprach. »Mache du sein Leben – zu einem Grundstein.«
    »Was soll das heißen?« stöhnte Germunt. »Was willst du von mir, Gott?« Nun riß er doch die Augen auf. Germunt erhob sich und
     sah sich in der leeren Kirche um, hin und her gerissen zwischen Schrecken und einem neuen Gefühl von Heimat.
    Es ist gut,
sagte Aelfnoths Stimme.
    Von draußen drangen erstickte Rufe in den Trümmersaal. Er mußte gehen, Claudius wartete auf ihn.
    Als Germunt die Kirchentür hinter sich schloß und die Nachtluft Tränen in seine Augen trieb, traf ihn der Blick des Bischofs,
     und er sah, wie die Angst in seinem Gesicht zu Festigkeit wurde. Sein eigenes Herz wurde ruhig.
    »Ist er da?«
    »Ja, er ist da. Er erfüllt die Kirche wie der Wind ein Segel.«
    Erleichterung lag in der Stimme des Bischofs. »Gut.«
    Die Dienstleute gaben Germunt wenig Beachtung. Biterolf redete mit Kanzler Eike, beider Stirn von dunklen Furchen durchzogen.
     Ato und Thomas schienen erschrocken, aber gleichzeitig von einer Art grimmiger, böser Freude erfüllt. Dann sah Germunt Stilla
     am Rand der Gruppe stehen. Er lief zu ihr und berührte ihren Arm.
    »Was ist geschehen? Die Leute reden wirr.«
    »Claudius hat die Kirche zerstört, im Inneren.«
    »Warum? Er, der Bischof?«
    »Ich sehe hier kein Gesicht, das ihm noch wohlgesinnt ist, nicht ein einziges. Aber ich habe seine Schriften gelesen, und
     ich verstehe ihn. Stilla, ich denke, daß er das Richtige getan hat. Gut möglich, daß er die längste Zeit Bischof gewesen ist.
     Vielleicht werden sie ihn sogar töten.«
    |326| »Was bedeutet das?«
    »Daß ich hierbleiben werde. So lange, wie Claudius mich braucht.« Er wandte sich ab, ohne eine Reaktion von ihr abzuwarten.
     Es schmerzte ihn, sie zu enttäuschen.
Ich weiß, ich habe die richtige Entscheidung getroffen,
versuchte er sich zu beruhigen.
Sie wird es irgendwann verstehen.
     
    Unter dem neuen, überhängenden Dach des Hühnerstalls zog Germunt einen kleinen Eselskarren hervor. Die Räder liefen schwer
     und knirschten. Als Germunt die Herumstehenden erreichte, befahl er mit fester Stimme: »Macht Platz!« Man gehorchte ihm, und
     er stellte den Karren vor der Kirchentür ab. Stumm zwängte er sich an Claudius vorbei in die Kirche. Er griff zwei Figuren
     aus den Trümmern und schleppte sie hinaus, um sie in den Kasten zu laden.
    Eisiges Schweigen empfing ihn. Einige Dienstleute lösten sich aus der Gruppe und gingen fort. Jemand sagte: »Herr gott , vergib ihm.« War das nicht Biterolfs Stimme? Germunt sah nicht auf, sondern lief zurück, um mehr zu holen.
    In der Tür begegnete ihm Claudius mit dem Marienkopf und einer Büste. »Wartet Ihr kurz am Kreuz?«
    »Ja.«
    Vom Altar aus beschaute sich Germunt die Schutthaufen. Sie würden die ganze Nacht und etliche Karrenladungen brauchen, um
     die Kirche leerzuräumen. Aber es war besser, wenn sie es gleich taten.
    Claudius näherte sich. »Faßt Ihr

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