Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
Vom Netzwerk:
als
     er Germunt eintreten sah.
    »Darf ich Euch sprechen, Herr?«
    »Seht Ihr nicht, daß ich baden möchte?«
    »Vergebt mir.«
    »Geht noch einen Moment hinaus. Ich rufe Euch, wenn ich in den Zuber gestiegen bin.«
    |352| Germunt stand nicht lange im Flur, da rief ihn der Bischof schon hinein. Er lag bis zur Brust in weißem Nebel, hielt sich
     mit den Armen am Rand des Zubers fest und hatte die Augen geschlossen. Nicht genießerisch waren seine Züge, sondern müde.
     Zwei kleine Falten zwischen den Augenbrauen zuckten leicht. »Ihr wollt mich für das Festessen morgen tadeln, richtig?«
    »Nun, ich …«
    »Sagt einfach ja.«
    »Ja.«
    »Ich hatte keine Wahl. Wie könnte ich die Bitte der zwei Weitgereisten nach einem festlichen Essen ablehnen?«
    »Das ist genau das, was der Graf erreichen wollte. Er wird versuchen, Euch vor ihren Augen bloßzustellen, da bin ich sicher.«
    »Ich kenne Dructeramnus und Iustus nicht gut, aber wie ich gehört habe, sind sie ein wenig den weltlichen Freuden zugeneigt.
     Ich lasse das beste Essen und den besten Wein auftischen, die dieser Hof bieten kann – es wird sie gütig stimmen.«
    »Könnt Ihr wenigstens versuchen, das Gespräch von theologischen Fragen fernzuhalten?«
    »Ist das Euer Rat? Gut, ich tue es.«
    »Godeoch wird Euch vielleicht anstacheln –«
    »Ich bleibe die Ruhe selbst, versprochen. Wenn Ihr mir helfen möchtet, nehmt eine Eurer besten Zeichnungen und kommt damit
     in den Speisesaal. Am besten erst, wenn das Festmahl begonnen hat, die Besucher abzulenken. Stellt Euch so, daß Godeoch Euch
     nicht sehen kann. Wenn mir das Gespräch entgleitet, kann ich Euch an den Tisch bitten; Dructeramnus wollte gern einmal Eure
     Kunst bewundern.«
    »Ja, das tue ich.«
    Germunt stand schweigend und betrachtete den Bischof. Dicke Adern liefen den Hals hinab und über die Oberarme. Die Brust war
     kaum behaart. Der Körper sah so kräftig aus, als könnte Claudius mit einem Fausthieb den Badezuber |353| zertrümmern; das Gesicht aber trug nicht die Sorge eines Kriegsherrn, sondern die eines Geistlichen.
    »Germunt?«
    »Ja?«
    »Habt Ihr inzwischen etwas von Ademar gehört?«
    »Kein Lebenszeichen, seit er verschwunden ist.«
    »Ihr glaubt auch nicht, daß er das Buch verkauft hat, oder?«
    »Nein. Wenn er auf Raub ausgewesen wäre, hätte er nicht nur ein Buch gestohlen. Obwohl es natürlich sehr kostbar ist, nicht
     allein wegen der Häute einer sicher zwanzig oder dreißig Tiere zählenden Schafherde, aber wegen der Arbeit …«
    Ein bitteres Lächeln huschte über das Gesicht des Bischofs. »Eigentlich sollte ich mich freuen, daß die guten Erkenntnisse
     solche Verbreitung finden.« Er ließ sich etwas tiefer in das Wasser gleiten. »Nur irgend etwas sagt mir, daß meine Lehren
     von Ademar, Theodemir und Eike nicht besonders vorteilhaft dargestellt werden.«
    »Ihr wißt das von Biterolf und Kanzler Eike?«
    »Ja. Ein befreundeter Bischof hat mir eine Kopie geschickt.«
    »Und Ihr bestraft sie nicht?«
    »Was würde das jetzt nützen? Ich kann für die Wahrheit geradestehen und zusehen, daß sie die Herzen einiger Menschen erreicht,
     aber auf meinen Einfluß kann ich nicht bauen.«
    Fassungslos starrte Germunt den Bischof an.
Wußte Claudius das vorher? Hat er seinen guten Ruf mit Absicht zerschlagen?
»Aber wäre es nicht möglich, daß Euer Denken die Großen überzeugt, bis alles Volk im Kaiserreich den neuen Weg geht?«
    »Möglich, natürlich. Wenn Gott eine lange Folge von Wundern geschehen läßt. Ehrlich gesagt, zweifle ich daran.«
    Germunt wartete noch lange, ob der Bischof etwas sagen würde. Dann schlich er sich betroffen aus dem Raum.
     
    |354| Menschenstimmen tobten Ademar noch in den Ohren, das Knarren von Wagenrädern, das Klingeln von Münzen; seine Augen sahen große,
     himmelüberspannte Plätze, Säulenbögen und Steinfiguren, Paläste, Dutzende Kirchen, Türme und Mauern. Diese Stadt war ein Weltreich
     in sich. Allein das Kolosseum hatte ihn über zwei Stunden in seinen Bann geschlagen, er war luftringend um es herumgewandert,
     war die Treppen hinauf- und wieder hinabgelaufen, hatte wieder und wieder Angebote von Reliquienhändlern ausgeschlagen.
    Und nun die kleine Kammer. Eine Öllampe kämpfte mühsam gegen die Dunkelheit, erhellte gerade das Gesicht seines Gegenübers.
     Ein Tisch und ein Stuhl waren alles, was in diesen Raum paßte. Ademar stand.
    »Ihr müßt schon entschuldigen, der Lateranpalast platzt aus allen Nähten. Es ist

Weitere Kostenlose Bücher