Der Kalligraph Des Bischofs.
besser, nicht zu klagen; die Bibliothek hat
kürzlich geklagt und die Gesangsschule. Es hat ihnen nur Ärger eingebracht.«
»Ich verstehe.«
»Wir von der Kanzlei haben unsere Mittel. Wenn irgendwo Räume frei werden, erhalten wir sie.«
»Hat Euch der Diakon, mit dem ich heute morgen sprach –«
»Ja, ich habe es gelesen.«
Das Buch lag auf dem Tisch. Ademar wollte es gern packen, an sich drücken, weil es ein Teil seiner Heimat inmitten dieser
fremden Stadt war. Aber Godeoch hatte einen klaren Auftrag gegeben. »Findet Ihr, daß Turins Bischof ketzerische Lehren vertritt?«
Der Kanzleibeamte schmunzelte. »Ja, ja, Claudius. In wessen Auftrag kreidet Ihr ihn an?«
»Das ist … ich bin nur …«
»Sicher habt Ihr nicht aus Entrüstung dieses Buch gegriffen und seid nach Rom gereist. Sprecht offen mit mir.«
Hätte sich unter seinen Füßen eine Falltür geöffnet und er wäre in eine Grube mit Wölfen gefallen, Ademar hätte |355| sich nicht verlorener fühlen können. Da stand er, im Palast des mächtigen Kirchenvaters, fern der Heimat, und sollte zwischen
Lüge und Verrat entscheiden. »Graf … Der Graf hat mich … Godeoch …«
»So. Gefällt ihm sein neuer Gegenspieler nicht?«
Ademar biß sich auf die Lippen. So sollte das alles nicht laufen; sicher würde Godeoch unzufrieden mit ihm sein.
Der Kanzleibeamte zog wie selbstverständlich das Buch zu sich heran. »Es gibt tatsächlich einige Stellen in diesem Werk, die
der Auffassung der Kirche nicht entsprechen, schlimmer noch, den Heiligen Vater selbst angreifen. Wir werden einen Legaten
mit Euch schicken, der die Dinge überprüfen soll. Für den Fall, daß sie sich bestätigen, ist er zu allen Maßnahmen ermächtigt.«
»Tausend Dank!« platzte es aus Ademar heraus. Er schnappte nach dem Buch.
»Nein. Das bleibt einstweilen hier.« Der Kanzleibeamte hielt seine Hände über den hölzernen Buchdeckel. »Ihr könnt noch einige
Tage Rom genießen. Wo gastiert Ihr?«
»Im ›Pfennigfuchser‹, das ist –«
»Ich weiß, wo das ist. Viele Angelsachsen dort, Friesen auch. Betrinkt Euch nicht. Wenn der Legat beauftragt ist, holen wir
Euch.«
Germunt hielt Frodwald am Ärmel fest, der mit einem leeren Tablett vom Kaminsaal kam. »Was ist? Wie ist die Stimmung da drin?
Könnte man unbemerkt hineinschlüpfen?«
»Bist du verrückt? Du kannst doch da nicht einfach reingehen!«
»Claudius hat es mir aufgetragen. Also, wie ist die Stimmung? Hat das Mahl begonnen?«
Frodwald schob Germunt in einen Winkel des Flurs, drehte sich um, daß auch niemand sie belauschte, und raunte: »Stell dir
vor, Suppo hat unserm Bischof als Geschenk einen goldenen Kelch mitgebracht, so groß« – er hob die Hand über dem Tablett in
die Höhe – »und über |356| und über mit prachtvollen Edelsteinen besetzt. Ich kam gerade rein, als er ihn aus einem blauen Samttuch zog. Glaub mir, Godeoch
hat blaß ausgesehen. So viel Gold auf einem Haufen! Sicher hat Suppo dem Grafen kein annähernd großes Geschenk gemacht.«
»Nicht schlecht. Und das Mahl? Essen sie schon?«
»Ja. Ich habe gerade die Lauchsuppe aufgetragen.« Frodwald zuckte zusammen. »Muß runter in die Küche«, rief er und verschwand.
Germunt stellte sich vor, wie die Herren schweigend Lauchrahm aus ihren Suppenschüsseln löffelten.
Sicher kein guter Moment, um den Saal zu betreten,
sagte er sich. Trotzdem lief er ungeduldig vor der Tür des Kaminsaals hin und her. Was, wenn ihn Claudius gerade jetzt brauchte
und sich hilfesuchend umsah?
Kanzler Eike, Frodwald und Erlwin kamen den Flur entlang. Auf ihren Händen trugen sie Tabletts mit köstlich duftenden, goldgelb
überbackenen Brotscheiben. Kurz entschlossen folgte Germunt ihnen.
Kaum hatte er Godeoch auf der linken Seite erblickt, stahl sich Germunt in dessen Rücken und drückte sich an die golden, grün
und rot bemalte Wand. Wenn ihn Claudius vom Kopf der Tafel her bemerkt hatte, dann tat er zumindest so, als wäre er ihm entgangen.
Rechts und links des Bischofs saßen die beiden Äbte, gegenüber Godeoch thronte ein Mann mit gestutztem Bart, breitem Kinn
und blassen, schwulstigen Lippen an der Tafel. Das Schielen erinnerte ihn an jemanden …
Der hat doch zugesehen, als Godeoch auf mich eingedroschen hat.
Genau wie der bleiche Jüngling neben ihm. Einer der beiden mußte Suppo sein. Sie trugen bauschige, tiefblaue Hemden und darüber
ärmellose Seidenjacken, die reich bestickt und mit weißen Steinen besetzt
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