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Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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Augen verneigte
     sich vor ihm und erklärte höflich, er sei ein reisender Kunsthandwerker. »Der Tuchhändler dort drüben sagte mir, Ihr steht
     in den Diensten des Bischofs von Turin?«
    |344| »Ja, das tue ich.«
    »Herr, ich bin neu in dieser Stadt und habe gehört, daß Euer Bischof das Innere einer Kirche hat abreißen lassen. Könnt Ihr
     mir sagen, ob bereits Feinhandwerker beauftragt sind, sie neu zu gestalten?«
    »Ich glaube nicht, daß Claudius die Bilder wiederherstellen lassen möchte.«
    »Verzeiht. Die Gerüchte haben es mir bereits zugetragen, daß Euer Bischof eine Abneigung gegen die gewöhnlichen Heiligen hat.
     Ganz gleich, welche neuen Heiligen er einführen möchte, ich kann ihm sicher dabei behilflich sein. Ich gestalte die Fresken
     ganz nach seinen –«
    »Es wird keine Hilfe gebraucht und kein Auftrag vergeben, weil die Kirche leer bleiben soll. So habe ich Claudius verstanden.«
    Biterolf wollte weitergehen, aber noch einmal stellte sich ihm der Mann in den Weg. »Darf ich fragen, warum? Jeder behauptet
     etwas anderes; Ihr könnt sicher am besten sagen, was der Grund dafür ist.«
    Einen Moment dachte Biterolf nach. »Das sind schlechte Nachrichten für Eure Zunft. Claudius meint, Bilder sind unnötig, um
     Gott anzubeten. Er hält sie sogar für hinderlich. Die Kirche soll leer bleiben, damit sich das Denken der Beter auf Gott selbst
     richtet.«
    »… auf Gott selbst richtet«, wiederholte der Handwerker halblaut. Er sah hilflos aus.

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    |345| 25. Kapitel
    Gut, daß Stilla nicht wußte, was er hier tat. Sie würde sich zu Tode ängstigen.
    Germunt fuhr mit der Hand die Mauerfläche über seinem Kopf entlang, bis die Finger eine Rinne gefunden hatten, in die sie
     sich hineinbohren konnten. Sein Hemd schabte auf den Steinen, während er sich höher zog und mit dem rechten Fuß neuen Halt
     suchte. Er fand einen hervorstehenden Stein, konnte endlich die Finger entlasten.
    Das steife Knie machte es ihm nicht gerade einfach, an dem großen Haus hinaufzuklettern. Allerdings war es wohl in einer Zeit
     gebaut worden, in der man mehr Wert darauf legte, sich mit seinen kräftigen Steinen wichtig zu machen, als eine gerade Wand
     zu errichten, und so fand Germunt immer wieder Vorsprünge und Fugen, an denen er sich auch mit ausgestrecktem Bein halten
     konnte. Er durfte nur nicht fallen oder sich in der Dunkelheit verschätzen, wie haltbar die Steine waren, denen er sich anvertraute.
    Beide Füße in sicherem Stand, wagte er es, die linke Hand hinaufzustrecken: Da war er, der Fenstersims. Germunts Finger umfaßten
     die Kante, die rechte Hand kam nach, klammerte sich neben der linken fest. Langsam, ermahnte er sich. Mit dem Fuß stieß er
     gegen etwas Kantiges, Klobiges, das aus der Mauer ragte. Germunt lächelte. Ein Balken, wohl für den Fußboden des Raumes, in
     den er blicken wollte, das war makellos.
    Er preßte die Lippen aufeinander, als er den Körper hinaufzog. Beide Füße standen nun auf dem Balken, er mußte sich ducken,
     damit sein Kopf nicht vor der Fensteröffnung im nach außen dringenden Fackelschein zu sehen war. Germunt |346| lauschte, bis aus den undeutlichen Stimmen verständliche Worte wurden.
    »Was habt Ihr unseren Männern gesagt?«
    »Daß Ihr beim Grafen zu Gast seid.« Das war die Stimme Godeochs.
    »Zu Gast nennt Ihr das?«
    »Nun, würdet Ihr die Verhältnisse in Turin kennen, dann würdet Ihr solcherlei Vorsichtsmaßnahmen verstehen. Schon mit dem
     einen Bischof, den ich in meiner Stadt habe, ist das Volk am Rande eines Ketzeraufruhrs. Ich kann es nicht riskieren, zwei
     angesehene Äbte zu ihm stoßen zu lassen, ohne ihre Gesinnung zu prüfen, wenn Ihr versteht.«
    Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Allein der Gedanke, einen einzigen Blick in das Fenster zu werfen!
Du weißt, was geschieht, wenn du entdeckt wirst,
warnte ihn eine innere Stimme. Aber die Neugier war unbesiegbar. Schon tauchten seine Augen in das Licht ein.
    Es war ein großer Saal mit einer Tafel in der Mitte. Godeoch war von Germunts Fenster aus nicht zu sehen, aber er erspähte
     zwei ältere Männer, die am Tisch saßen, hinter ihnen vier Büttel mit den Händen am Schwertknauf. Die Männer trugen weiße,
     goldbestickte Gewänder; einer von ihnen hatte eine hohe, glatte Stirn und eine Adlernase, des anderen rechtes Augenlid war
     fortwährend halbgeschlossen, und er bewegte beim Sprechen nur die linke Hälfte des Mundes. »Von einem Aufruhr haben wir nichts
    

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