Der Kalligraph Des Bischofs.
gesehen.«
Schritte kamen von der Seite. Germunt zog rasch den Kopf ein.
»Ihr seid gerade erst in die Stadt gekommen. Wißt Ihr denn, daß Claudius seine eigene Bischofskirche kurz und klein geschlagen
hat?«
»Ihr habt eine blühende Phantasie, Graf.«
»So?« Godeoch hatte dieses Wort mehr gebellt als gesprochen. Dann redete er mit Mühe ruhig weiter: »Schaut sie Euch an. Die
Bilder sind entfernt, die Figuren und Fresken, das Kreuz sogar.«
|347| Die Äbte sprachen halblaut miteinander. Germunt konnte nicht alles verstehen, hörte nur etwas von »Paris« und »um so wichtiger,
daß er kommt«.
»Ihr wißt, daß Ihr in Turin in meiner Gewalt seid.«
»Wagt es nicht, uns anzurühren, Graf. Es kostet Euch den Kopf, wenn Ihr Euch an uns vergreift.«
»Nur die Ruhe, ehrwürdige Väter. Warum sollte ich Euch schaden, wenn Ihr mir nützlich seid? Ich werde Euch noch heute abend
entlassen. Geht zum Bischof, besprecht mit ihm, was immer Ihr wünscht. Aber erwähnt nicht unser kleines Treffen hier, sonst
müßte ich Euch auf dem Weg zurück über die Alpen ein kleines Unglück zustoßen lassen.«
Einige Atemzüge lang war es still. »In Ordnung. Wir werden nichts darüber sagen.«
»Und noch eins: Überzeugt ihn davon, daß er Euch zu Ehren ein Festmahl geben muß, zu dem er auch mich und den mächtigen Suppo
einlädt, weil wir sonst gekränkt wären.«
»Warum sollen wir das tun?«
»Ich möchte gern Eure Gesichter sehen, wenn ich ihm einige Fragen zu seinen Überzeugungen stelle. Nichts weiter. – Wachen,
bringt sie zurück zu ihrem Gefolge. Macht das unauffällig, verstanden?«
»Ihr habt was getan?« Claudius lehnte sich mit aufgerissenen Augen nach vorn.
»Ich bin an der Wand hinaufgeklettert und habe Godeoch in seinem Saal belauscht.«
»Bist du wahnsinnig?« Der Bischof sprang auf, zog wütend die Augenbrauen zusammen. »Du setzt meinen Ruf aufs Spiel! Was fällt
dir ein, dir derartige Freiheiten herauszunehmen?«
»Verzeihung, Herr.«
»Hast du mal darüber nachgedacht, was geschehen wäre, wenn sie dich entdeckt hätten?«
|348| Germunt schwieg. Der Bischof kam ihm plötzlich wie ein Fremder vor, ein gefährlicher Fremder. Germunt wünschte sich weit weg.
Langsam ließ Claudius durch die Nase Luft entweichen. »Warum? Warum wolltet Ihr den Grafen bespitzeln?«
»Es war doch …« Germunt schluckte. »Es war doch zu erwarten, daß der Graf das Durcheinander ausnutzt. Besser, wenn Ihr seine
Pläne kennt.«
Der Bischof ließ sich auf einer der Truhen nieder, die die Wände der Kammer säumten. Felle waren vor die Fenster gehängt,
und eine brennende Fackel steckte in einem Eisenring. Er strich sich durch die Lockenmähne. »Und was hat der Hundsfott ausgeheckt?«
»Er hatte zwei Männer bei sich, angesehene Äbte, die er wohl abgefangen haben muß, und hat ihnen gesagt, was mit der Kirche
hier passiert ist.«
»Wen kümmert’s? Jeder Besucher schaut sie sich an, da werde ich es Äbten erst recht nicht verbieten. Ich kann mein Handeln
begründen. Wie sahen sie aus?«
»Der eine hatte eine hohe Stirn und eine Adlernase, der andere konnte sein rechtes Auge nicht richtig öffnen. Er hat auch
den Mund sehr merkwürdig bewegt beim Sprechen.«
Claudius hob die Augenbrauen. »Das sind Dructeramnus von Saint-Chaffre und Iustus von Charroux! Was suchen die in Turin?«
»Sie haben irgend etwas von Paris gesagt.«
Es klopfte energisch an der Tür.
»Nein«, rief Claudius.
»Herr, es ist wichtig!« erwiderte eine gedämpfte Stimme nach kurzem Zögern.
Der Hals des Bischofs färbte sich rot. Er sprach sehr laut. »Wir möchten nicht gestört werden!«
Einen Moment war es still. Germunt öffnete schon den Mund, um weiterzusprechen, da klopfte es erneut. »Ehr würden , bitte, es sind Besucher gekommen, die Eure Aufmerksamkeit verdient haben.«
|349| »Das werden sie sein«, sagte Claudius. Laut rief er: »Ich komme.«
Germunt stellte sich ihm in den Weg. »Wartet! Sie werden versuchen, Euch ein Festmahl aufzuschwatzen, zu dem Ihr auch Godeoch
und irgendeinen Ruppo oder Suppo einladen sollt. Das ist eine Fußangel des Grafen.«
Mit einem kurzen »ich danke Euch« schob sich der Bischof an ihm vorbei und verließ den Raum. Schon im Flur hörte man ihn rufen:
»Thomas, Kanzler Eike, sorgt mir für ein gutes Abendessen. Erlwin, sind die Räume für die Gäste gefegt und gelüftet?«
Immer wieder betrat einer der Dienstleute unter Vorwänden den Speisesaal, um
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