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Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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waren.
    An allen Seiten des Raumes brannten unzählige kleine Öllampen. Kaum waren die Tabletts auf dem Tisch abgestellt |357| und die Suppenschüsseln abgeräumt, angelte sich Iustus eine der Schnitten und schob sie mit der Ecke tief in seinen Mundwinkel.
    »Hervorragend«, kaute er, »durch Safran und Eidotter gezogen? Wirklich hervorragend.«
    Auch Dructeramnus nickte nach einem ersten, kleinen
    Happen zufrieden.
    »Diese Speise«, verkündete Godeoch mit vollem Mund, »ist ein Gottesdienst!« Er schluckte seinen Bissen hinunter. »Oder darf
     man das vor Geistlichen nicht sagen?«
    Er pirscht sich an.
Germunt beobachtete angestrengt die
    Gesichter der anderen.
    Dructeramnus legte die Stirn in Falten. »Ich würde Völlerei nicht als Dienst an Gott bezeichnen.«
    »Völlerei?« fragte Iustus. »Ich bitte Euch, Dructeramnus, wir haben in aller Bescheidenheit ein schönes Mahl. Müßt Ihr es
     uns verderben?«
    »Ich finde nur, daß das Essen kein Gottesdienst ist.«
    »Verzeiht mir.« Godeoch hob beschwichtigend die Hände über den Tisch. »Ich wollte niemanden verärgern. Reden wir von etwas
     anderem. Hattet Ihr schon Gelegenheit, Euch Turin ein wenig zu beschauen? Für Euch sind sicher die Kirchen besonders interessant.
     Die Bischofskirche hat ja kürzlich sehr ihr Aussehen geändert.«
    Claudius warf Godeoch einen finsteren Blick zu.
    »Nein, aber wirklich, das würde mich interessieren.« Iustus schob das Tablett mit den Broten ein wenig hinüber und ließ den
     bleichen Jüngling eine gebackene Schnitte nehmen, bevor er selbst nach der nächsten griff. »Ihr habt Eure Kirche umgestaltet?«
    Man beugte sich vor, sogar der schweigsame Schieler sah aufmerksam zum Tafelende.
    »Ich habe die Bilder entfernt. Nichts weiter.«
    »Und das Kreuz«, ergänzte Godeoch.
    Germunt spürte Übelkeit in sich aufsteigen. Wie sollte Claudius seinen Kopf aus der gelegten Schlinge ziehen?
     
    |358| Die Äbte würden mit dem Fragen nicht mehr aufhören, während Godeoch weiter Öl ins Feuer gießen würde.
    »Es hängt tatsächlich kein Kreuz mehr? Wieso –« Dructeramnus’ Frage wurde von der sich öffnenden Tür unterbrochen. Der Kanzler
     und einige Helfer trugen geröstetes Hühnchenfleisch herein, das mit feingeschnittener Petersilie überstreut war. Der Geruch
     von Zimt erfüllte den Raum.
    Claudius winkte den Kanzler zu sich heran und sprach ihm ins Ohr. Dann, während der Kanzler und seine Leute sich entfernten,
     sagte der Bischof laut in die Runde: »Ich habe für meine Gäste den besten Wein erwählt, den unser Keller zu bieten hat. Er
     ist ein Geschenk eines Freundes vom sonnigen Moselufer.«
    »Das muß ein vorzüglicher Tropfen sein!« Iustus pickte bereits in den Hühnchenkeulen herum.
    Dructeramnus setzte an zu sprechen, aber der Bischof kam ihm zuvor, indem er sich an den schweigsamen Schieler wandte. »Wie
     ich hörte, seid Ihr kürzlich Graf von Spoleto geworden?«
    »So ist es.«
    »Und Brescia haltet Ihr zugleich?«
    Die Worte des Schielers kamen tief aus seiner Kehle, wie aus einer gewaltigen Höhle. »Das ist keine Schwierigkeit. In meiner
     Heimat sieht man meine Herrschaft als natürlich an. Spoleto dagegen brauchte einen Herrscher, der alle Unklarheiten beseitigt
     und mit Macht durchgreifen kann.« Dann legte er seine Hand auf die Schulter des bleichen Jünglings. »Mein Sohn Mauring ist
     ebenfalls alt genug, bald ein Grafenamt zu übernehmen.«
    Germunt schien es, als sei Godeoch bei diesen Worten zusammengezuckt. Der Graf sah eilig zwischen Claudius und Suppo hin und
     her. »Claudius, Ehrwürden, habt Ihr vor, statt des Kreuzes ein anderes Symbol in Eurer Kirche aufzuhängen?«
    »Schon die Frage ist eine Verleumdung. Ich vertrete den christlichen Glauben, mehr, als Ihr es tut, Graf.«
    |359| »Und warum entfernt Ihr dann seine Zeichen aus dem Gotteshaus?«
    Dructeramnus, Iustus, Suppo und Mauring sahen gespannt auf Claudius. Bevor er sprach, begegneten sich einen Lidschlag lang
     die Blicke Germunts und des Bischofs.
Jetzt hat er verstanden, warum Godeoch unbedingt dieses Festmahl haben wollte. Und wir können die Dinge nicht aufhalten.
    »Ich will es Euch sagen: Weil das Volk nicht unterscheiden kann zwischen einem Bild und der Wirklichkeit. Sie beten nicht
     zu Petrus, wenn sie vor seiner Statue knien, sondern zur Statue. Warum hat der Herrgott so streng den Götzendienst verfolgt
     beim Volk Israel? Weil er –«
    »Weil das Götzen waren und nicht Bilder des wahren Gottes«, unterbrach

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