Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
Vom Netzwerk:
werden wichtige Dinge unwichtig, wenn man sich auf die Vergänglichkeit des Lebens besinnt. Aber sprecht.«
    »Ich habe heute nacht einen Mann beim Gespräch mit den Äbten belauscht. Er ließ sie eine Anklageschrift gegen Euch siegeln.
     Sein nächster Besuch galt Suppo. Euer ärgster Feind, Godeoch, bereitet Euren Sturz vor.«
    »Nicht nur er. Auch meine Freunde haben sich gegen mich gewandt. Theodemir gießt Gift in die Ohren des Kaisers, und Ademar,
     mein eigener Dienstmann, ruft Rom auf den Plan. Die Engel des Bösen wollen das schwache Licht löschen, das der Allmächtige
     durch mich angezündet hat.« Claudius richtete sich auf, spannte die breiten Schultern. »Das weiß ich zu verhindern.«
    »Wie, Herr?«
    »Erinnert Ihr Euch, wie Euch bei meiner Heimkehr vom Schlachtfeld die fränkischen Rächer bedrängt haben?«
    »Ja.«
    »Wie ich Euch Freiheit gab und wie Ihr mir Euer Leben zu Füßen gelegt habt? Ihr habt mich damals gebeten, Eure Treue zu prüfen.«
    Germunt erschauderte vor Freude. Der Bischof wollte |370| kämpfen, und er, Germunt, würde ihn dabei unterstützen. »Ja, ich erinnere mich daran, und ich stehe zu meinem Wort.«
    »In wenigen Tagen wird meine Macht in Turin gebrochen, und wer zu mir steht, wird der Verfolgung durch die Kirche und die
     weltlichen Herren ausgesetzt sein. Stilla und Euch wird es besonders treffen, denn niemand hat vergessen, welchen Teil Ihr
     am Bildersturz hattet. Deshalb müßt Ihr Turin verlassen.«
    »Turin verlassen? Ich verstehe nicht.«
    »Biterolf fertigt bereits Abschriften meiner wichtigsten Bücher. Ihr werdet ihm dabei helfen, solange noch Zeit ist, und die
     Texte mit Euch nehmen. Verbergt sie, bis sich die Wogen geglättet haben. Ihr seid auch dann noch jung, wenn man meinen Namen
     bereits vergessen hat. Laßt einige Jahre verstreichen, und streut den Samen erneut aus, vorsichtiger, als ich es getan habe.«
    »Herr, ich –« Germunt suchte fieberhaft nach Einwänden. Den Bischof verlassen, während sich die Wölfe auf ihn stürzten? »Ich
     kann Eure Gedanken niemals so gut erklären, wie Ihr es tut. Wollt Ihr Euer Leben verschenken?«
    Claudius hob eine seiner wilden Augenbrauen, mit einem Blick, der eines Königs würdig gewesen wäre. »Werdet Ihr Euren Schwur
     halten?«
    Germunt preßte die Zähne aufeinander, daß seine Kiefer schmerzten. »Das werde ich.«
     
    Bevor sie hinaufstieg, ließ Stilla den schweren Beutel neben der Treppe auf den Boden sinken. Es war ihr unangenehm, so viel
     Proviant aus Odos Haus mitzunehmen, und sie wußte nicht, wie Odo darüber dachte, daß die Magd seine Güter so freizügig verschenkte.
     Überhaupt graute es ihr vor dem Abschied von Meister Odo.
    Er wird kühl sein, sachlich, wie er es immer ist. Und ich werde mich die nächsten Jahre fragen, ob er mich überhaupt leiden
     konnte. Unsinn. Ich weiß genau, es ist nur seine Art,
|371|
und irgendwo hat auch er ein weiches Herz. Er zeigt es bloß nicht.
Sie klopfte an.
    Es brummte im Zimmer, und Stilla trat ein.
    »Ihr kommt, Euch zu verabschieden, richtig?«
    Da war sie. Die kalte Stimme, als ginge es um die Einkäufe, um eine zerbrochene Schale, einen Rest Olivenöl. »Ja. Wir brechen
     morgen sehr früh auf.«
    »Gut. Habt Ihr alles, was Ihr braucht?«
    »Es ist für alles gesorgt.«
    »Gut.«
    Er drückte ihre Hand, kurz. Obwohl die Berührung schon vorbei war, fühlte Stilla noch die faltigen Finger, die weiche, dünne
     Haut. »Seid Ihr froh, mich loszuwerden?«
Was sage ich hier? Gleich wird er lachen, ganz sicher wird er lachen, und es wird mir weh tun.
    »Ich trauere.«
    Er trauert. Er trauert?
    »Meine Frau war in Eurem Alter, als sie starb. Wenn Ihr nun geht, ist es wieder –« Seine Stimme brach ab. »Es ist ein Mensch
     –«
    Dann begann der Meister plötzlich, in einer fremden Sprache zu reden. Stilla verstand ihn nicht, aber sie lauschte der unbekannten
     Melodie, den Kehllauten, die sich lang und kurz ablösten, und bald vermochte sie, das Lied zu erfühlen. Die Sprache blieb
     ihr fremd, und doch hörte sie, daß Odo von Liebe sprach, von Sehnsucht und von so großem Unglück, daß es ein ganzes Leben
     füllen konnte.
    Stilla tastete sich mit kleinen Schritten voran. Dann fühlte sie einen bebenden Körper, der ihren berührte, fühlte Odos Kopf
     neben ihrem, und er umschloß sie mit seinen Armen. »Gott schütze dich, junge Frau. Du bist unendlich wertvoll. Gefühle bedeuten
     Schwäche, aber auch die Schwäche hat ihre Zeit.«
    Stilla

Weitere Kostenlose Bücher