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Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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betrat die Schreibstube. Federkratzen verriet ihr, wo Germunt saß. Er unterbrach die Arbeit nicht einmal, um nachzuschauen,
     wer gekommen war.
    »Germunt, ich bin es.«
    »Ich muß noch viel schreiben. Gibt es etwas Wichtiges?«
    »Ja.«
    Es kratzte weiter auf dem Pergament.
Hast du mir nicht zugehört, Geliebter?
Stilla trat hinter ihn und ließ ihre Hände weich über seine Schultern gleiten, den Hals hinauf, dann vor dem Hals den Brustkorb
     hinab.
    Das Kratzen hörte auf. »Ich kann nicht arbeiten, wenn du mich so berührst, Stilla.«
    »Das ist gut so.«
    »Weißt du denn nicht, daß die Schriften des Bischofs durch uns in Sicherheit gebracht werden sollen? Es darf nichts verlorengehen.«
    »Claudius bedeutet dir viel, nicht wahr?«
    »Ja, das tut er. Und es ist sein Wunsch, daß ich das hier schreibe.«
    Es zuckte wie ein Funke in ihrem Denken auf.
Jetzt verstehe ich, was dich zerreißt. Du willst ihm Gutes, und du
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willst ihm dienen. Der Bischof aber wünscht sich seinen eigenen Schaden, zwingt dich, ihm im Dienst Böses zu tun.
»Er will auch, daß du gehst.«
    »Verdammt, ja, das will er.«
    Stilla schwieg. Sie spürte, daß sie warten sollte.
    »Ich muß ihm gehorchen. Er hat mich an meinen Schwur erinnert von dem Tag, an dem er mich befreit hat. Dabei könnte ich ihm
     vielleicht noch helfen, ich würde mein Leben aufs Spiel setzen für ihn!«
    »Ich verstehe dich.«
    »Nie habe ich begriffen, warum er mir so vertraut hat. Er hätte mich damals vom Hof jagen müssen, als ich gestohlen hatte,
     anstatt sich für mich in Schwierigkeiten zu stürzen. Was sollte das alles? Ich möchte jetzt Dankbarkeit zeigen, ich weiß jetzt
     endlich zu schätzen, was er mir ermöglicht. Und er schickt mich fort.«
    »Vielleicht hat er Gründe, die du nicht kennst.«
    »Ja, verflucht, dann soll er sie mir sagen!« Germunt sprang auf. »Und zwar sofort. Seine ›Vorbereitungen auf das Ende‹ können
     mir gestohlen bleiben.« Stilla fühlte Germunts Hand an ihrer Hüfte. »Ich bin wütend, aber du darfst nicht denken, daß ich
     dich vergessen habe. Germunt liebt dich, Stilla.«
    Augenblicke später hatte Germunt die Schreibstube verlassen. Stilla stand da, und langsam erschien ein Lächeln auf ihrem Gesicht.
     »Und Stilla liebt dich, Germunt.«
     
    Germunt warf hinter sich die Tür zu, daß sie krachte wie ein Donnerschlag. »Was ist der Grund, Claudius? Warum habt Ihr mich
     nicht vom Hof gejagt, als ich gestohlen hatte? Warum bezahlt Ihr mehr Silber, als ein Kind tragen kann, um mich zu retten?
     Und warum, Himmel und Donner, muß ich Turin verlassen?«
    Claudius legte das Schwert aus der Hand, das er nachdenklich gewogen hatte. »Hört auf zu fluchen. Ich habe Euch bereits erklärt,
     warum Ihr Turin verlassen müßt.«
    |376| »Und warum muß ich es sein, der Eure Schriftstücke in Sicherheit bringt? Warum schickt Ihr nicht Biterolf? Irgend jemanden?«
    »Bereut Ihr Euer Versprechen?«
    »Ach, es geht doch überhaupt nicht um mein Versprechen. Es geht vielleicht nicht einmal um mich. Ihr habt Pläne, die Ihr mir
     nicht sagen möchtet, ich soll arbeiten wie ein willenloses Werkzeug. Das habe ich satt! Ich will es wissen, was auch immer
     es ist, ich will es hier und jetzt wissen!«
    »Ihr täuscht Euch, Germunt. Es geht um Euch.«
    Germunt holte Luft, um weiterzuschimpfen, aber der nachdenkliche Zug, der plötzlich auf dem Gesicht des Bischofs lag, verunsicherte
     ihn.
    Claudius wies mit der Hand auf eine fellbespannte Bank. »Setzt Euch.«
    Langsam, als wäre das Fell kochend heiß, setzte sich Germunt. Das müde Gesicht des Bischofs bereitete ihm Gewissensbisse.
Er tut nichts aus Mutwillen, sicher hat er gute Gründe für sein Handeln. Claudius muß um sein Leben bangen, und ich schreie
     ihn an – ist das die Unterstützung, die er verdient hat?
    Der Bischof ging zur Tür und schob den Riegel vor. Dann nahm er auf einer Truhe Platz, deren abgewetztes Holz noch Spuren
     von einstiger Bemalung zeigte, rieb sich die Stirn wie jemand, der gezwungen ist, sich an etwas lange Zurückliegendes zu erinnern.
     »Kennt Ihr den Brief, den Eure Mutter an mich geschrieben hat?«
    »Welchen Brief? Ich meine … Ich habe ihn verloren! Woher wißt Ihr …?«
    »Kennt Ihr ihn?«
    »Nein. Sie hat mir verboten, ihn zu lesen. Ich habe nur gemerkt, daß er weg war nach dem Unfall.«
    »Meister Odo hat ihn mir übergeben, als er ihn unter Eurer Kleidung entdeckt hat.« Claudius griff neben das Schwert und hob
     ein

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