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Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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Schreibstube. Dort werde ich Euch auf andere Gedanken bringen. Stilla, mein Kind,
     sei gut zur alten Bernegild.«
    »Immer, mein Vater.«
     
    In jener Nacht schlief Germunt das erste Mal nicht mehr im Krankenzimmer, sondern im Schlafsaal bei den Dienstleuten. Der
     Boden über dem Stall war ein wildes Durcheinander von Strohsäcken, Kleidungsstücken, Decken und Bündeln. So schnell sich der
     breite Raum am Abend gefüllt hatte, so schnell war auch Ruhe eingekehrt. Der Kanzler hatte mitten in die Gespräche hinein
     mit lauter Stimme ein Nachtgebet gesprochen, und rasch waren alle verstummt.
    Nun lag Germunt seit Stunden mit offenen Augen. Zwischen den Atemgeräuschen der vielen Schlafenden heulte der Wind im Gemäuer.
     Die Balken knackten, und ab und an schnaubte ein Pferd unter ihnen oder klopfte müde mit dem Huf auf den Boden. Noch zog kühle
     Luft durch die Fensteröffnungen. Des Tages war es aber schon beinahe sommerlich warm. Erste Blüten öffneten sich an den Obstbäumen
     hinter dem kleinen Kräutergarten. Das bedeutete, es war nun leicht möglich, eine Reise über die Alpen zu machen.
    Vielleicht waren sie unterwegs. Vielleicht ritten sie gerade über die Berge, auf der Suche nach ihm. Hier würden die Bluträcher
     ihn leicht finden. Am Hof des Kantabriers, den er nie aufsuchen wollte.
     
    Am nächsten Morgen fand sich Germunt früh in der Schreibstube ein. Biterolf saß dort auf einem Schemel und schnitzte an einer
     weißen Feder. Das Messer, das er in der Hand hielt, war seltsam gebogen. Germunt trat zum Schrank. Gestern hatte der nicht
     offengestanden. Von einem kleinen Stapel nahm er sich ein hartes Pergamentstück. »Das ist die Haut …«
    |104| »… von einer Ziege, richtig. Dort neben den halbfertigen Häuten liegt ein Bimsstein. Legt das Pergament aufs Pult und arbeitet
     es ein bißchen durch, ja?«
    »Wie meint Ihr das?«
    »Einfach mit dem Bimsstein darüberfahren. Ja, so. Wendet ruhig ein wenig Kraft auf.«
    »Und wozu tut man das?«
    »Um das Pergament aufzurauhen. Wenn die Oberfläche abgeschabt ist, schreibt es sich besser darauf. Ich werde heute die neuen
     Buchstaben nicht mehr in den Sand malen, sondern richtig mit Tinte auf Pergament. Wißt Ihr noch die, die Ihr gestern gelernt
     habt?«
    »Ich denke es. Wer hat die Haare von der Tierhaut entfernt? Wart Ihr das?«
    »Nein, wenn ich das auch noch machen müßte, dann würde hier nichts fertig werden. Die Ziegenhaut wird von Knechten ein paar
     Wochen in Kalklauge eingelegt, damit sich Fleischreste und Haare besser ablösen lassen. Dann legen sie sie auf einen Holzstamm
     und schaben mit dem Messer das Gröbste ab. Habt Ihr noch nie die Holzrahmen gesehen, in die die Häute nach dem Waschen eingespannt
     werden?«
    »Doch.«
    Eine Weile rieb Germunt mit dem Bimsstein in der Faust über das Pergament. Als ihm der Arm schwer wurde, wechselte er den
     Stein in die andere Hand.
    »Wißt Ihr eigentlich außer Latein noch andere Sprachen zu sprechen?«
    Romanisch und Fränkisch,
dachte Germunt.
Irgendwann mußte die Frage kommen.
Er wollte nicht an den Hof denken, an die romanischen Bauern, an den Vater, und indem er den Gedanken wegschob, dachte er
     doch daran. Er biß sich auf die Zunge. »Nein.«
    »Ihr lügt, Germunt.«
    Schweigen. Germunt konnte den strengen Blick Biterolfs fühlen, obwohl er nicht vom Pergament aufsah.
    |105| »Ihr habt einen nördlichen Akzent, den Ihr gut verbergt.«
    »Ja, vielleicht. Ich möchte nicht darüber reden.«
    Eine ganze Zeit lang sprachen sie nicht mehr. Irgendwann wurde Biterolf zum Bischof gerufen, und als er wiederkam, hatte er
     keine Zeit mehr, Germunt Buchstaben beizubringen. Es war eine Menge zu schreiben. Während Biterolf Urkunden verfaßte, sollte
     Germunt Siegelmasse aus Bienenwachs, Pech, Fett und Öl herstellen und danach alte Schrift von Pergamenten abschaben, die nicht
     mehr gebraucht wurden.
    Endlich, am späten Nachmittag, war Biterolf fertig. Der Bischof schien zufrieden zu sein, denn die Urkunden wurden unten eingeschnitten
     und das bischöfliche Siegel aufgebracht. Ein Reiter trabte vom Hof.
    »Was für ein Tag«, stöhnte Biterolf. »Aber wir sollten Eure Fortschritte nicht vernachlässigen.« Er legte das Pergament, das
     Germunt am Morgen abgerieben hatte, auf das Pult. »Kommt her. Nehmt die Feder in die Hand, so.«
    Germunt umschloß den Kiel mit den Fingern. Die Spitze der Feder war schräg zugeschnitten und in der Mitte gespalten.
    »Jetzt tunkt Ihr sie in das

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