Der Kalligraph Des Bischofs.
Luft, rollte über die nach ihm gestoßene Stange und prallte gegen die halboffenen Fensterläden. Jemand hielt Germunts
Bein fest, während seine Hände im Straßenstaub scharrten. Er trat zu, traf ein Gesicht. Die Faust lockerte sich ein wenig.
Wie ein Tier in der Falle zappelte und wand sich Germunt, bis er frei war, sprang auf – und rannte zwei Bütteln in die Arme.
Man schleppte ihn zurück in die Wachstube, durch eine Tür auf den Hof hinaus. Dort stand ein Holzklotz, ein ganz gewöhnlicher
Holzklotz, wie man ihn überall zum |137| Scheitespalten verwendete. Germunt wurde übel. Dumpfer Schwindel lähmte seine Glieder, und er zog die Beine an, aber die Büttel
trugen ihn einfach weiter. Er sah, wie sich einer der Bewaffneten eine Kapuze über den Kopf zog, die nur zwei Schlitze für
die Augen offenließ. Man reichte dem Vermummten ein langes, gerades Schwert.
»Macht schnell. Klingt so, als kommen Leute. Ich gehe vor die Tür und halte sie hin.«
Germunt schrie, aber seine Stimme wurde abrupt von einem Lappen erstickt, den ihm eine Faust in den Mund schob.
Helft mir,
brüllte Germunt in den Knebel. Es klang wie ein langgezogenes Stöhnen. Er zog die Arme an den Körper, trat um sich. Kräftige
Hände hielten ihn fest. Man drückte auf seine Schultern und zwang ihn in die Knie. Dann wurde sein rechter Arm nach vorn gerissen
und das Handgelenk auf den Holzklotz gepreßt. Er spürte die rauhen Kanten, aus denen Späne stachen. Irgendein gewöhnlicher
Mann hatte diesen Baum gefällt, bis an jede Kante, die er nun fühlen konnte, die Axt in das Holz getrieben. Was, wenn es ein
Baum aus der Gegend um Troyes war, wenn er, Germunt, als junger Bursche in seinen Ästen gesessen hatte?
Draußen brausten Stimmen auf. Dann wurde es still, und die Tür zum Hof öffnete sich. »Jetzt denken sie, er ist beim Grafen.
Zeit genug, ihn ausbluten zu lassen.«
Germunt begann, am ganzen Körper zu zittern. Wenn doch das Handgelenk im Holzklotz versinken könnte! Mit aller Kraft würgte
er an dem Lappen in seinem Mund, stieß die Zunge vor, bis sie sich verkrampfte. Ein tränenverschwommener Blick nach oben zeigte
ihm einen sich in den Himmel hebenden Schatten. Da gelang es ihm, den Lappen auszuspucken, und er schrie. Er schrie. Es durfte
nicht passieren. Er schrie wie ein Neugeborenes.
Etwas Schweres pochte gegen die Tür zum Hof. »Öff net , sofort!«
»Na los schon, schlag zu, sonst ist es zu spät!«
|138| Einem wahnwitzigen Gedanken folgend, schleuderte Germunt seinen Kopf nach vorn und beugte sich über die Hand auf dem Holzklotz.
Er hörte nicht auf, zu schreien.
»Könnt ihr ihn nicht halten? Wenn ich ihn köpfe und hier gleich die Männer des Bischofs … Verdammt.«
Die Tür krachte auf. Bewaffnete quollen herein.
Klingen prallten aufeinander. Germunt spürte, daß man ihn losließ, sah, wie sich seine Wächter den Eindringlingen entgegenwarfen.
»Hier rüber, Germunt!« Das war die Stimme des Kanzlers.
»Haltet ihn fest!«
Hände griffen nach ihm. Er duckte sich, entwand seinen Arm einer Faust und sprang zur Tür.
»Hundesohn!« hörte er hinter sich einen Schrei, und dann fühlte er, wie ihn etwas am rechten Bein traf.
Eine warme Hundezunge leckte ihm das Gesicht und verströmte den Geruch von faulendem Fleisch und Kot. »Sie wollen mich töten«,
stöhnte Germunt.
»Wie geht es Euch?« Das war Biterolfs Stimme.
Germunt öffnete die Augen und sah die Decke des Kaminsaales hoch über sich. Er drehte ein wenig den Kopf. Er lag neben dem
kalten Kamin auf knapp zusammengeschobenem Stroh; es hatte sich blutrot gefärbt. Wieder drehte er den Kopf. Dort standen der
Kanzler, Odo und Bischof Claudius. Sie sahen ihn an.
»Willst du sein wie die Sarazenen, diese Mörder, Räuber und Diebe?« donnerte die Stimme des Bischofs.
»Vergebt mir, Herr.«
»Es ist also wahr?«
»Ja. Ich bin schuldig.« Germunt versuchte, sich aufzurichten. Das letzte Wort hing wie ein schwarzes, tonnenschweres Tuch
im Raum. »Erlaubt Ihr, daß ich Euch die Pläne des Grafen berichte?«
Claudius zog die Stirn in Falten. »Es sei.«
|139| »Man hat mich eingesperrt, und ich habe an der Tür gelauscht. Die Stadtbüttel haben Euren Namen genannt und gesagt, daß Godeoch
befohlen hat, mich verbluten zu lassen. Sie wollten den Stumpf nicht zubrennen.«
»Der verfluchte Graf!« Vom Hof hörte man Hufe donnern. »Es ging nicht gegen dich. Man wollte mich treffen.«
Odo trat an ein Fenster und
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