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Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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kann.
    Hastig begann der Blinde, mit der hohlen Hand Wasser aus dem Boot zu schöpfen. »Wie weit ist es noch?«
    Germunt drehte den Kopf. Sie waren den anderen Kähnen näher gekommen, hatten aber noch nicht die Mitte des Flusses erreicht.
     »Bis ans andere Ufer schaffen wir es in keinem Fall. Aber vielleicht erreichen wir die anderen Boote.«
    Plötzlich schrie der Blinde erfreut auf. »Seht, was ich gefunden habe!« Er hielt einen Holzbecher in die Höhe. »Der schwamm
     hier in unserem Kahn herum.« Er schöpfte noch schneller.
    »Wir sind wohl nicht die ersten, die bemerken, daß der Boden leckt.« Immer tiefer sank das Boot in den Fluß ein. Germunt wurde
     von einer merkwürdig wehmütigen Stimmung erfaßt. Er ächzte zwischen den Ruderschlägen: »Hört, bevor wir hier gemeinsam ersaufen
     und erfrieren – kann ich Euch etwas fragen?«
    Der Blinde antwortete nicht.
    »Ist Eure Frau sehend?«
    »Das ist sie.«
    »Habt Ihr Euch bedroht gefühlt, als sie Euch ihre Liebe gestand?«
    »Ihr meint, weil sie sehen kann und ich blind bin? Nein.« Der Blinde dachte einen Moment nach. »Aber ich habe mir Sorgen gemacht,
     daß sie mich eines Tages nicht mehr lieben und anderen Männern nachlaufen würde. Ich war mir nicht sicher, ob ihre Liebe tief
     genug war, um es auf Dauer mit einem blinden Mann auszuhalten.«
    Wo ist sie jetzt?
wollte Germunt fragen, aber er schwieg.
    »Sie ist heute bei ihrer Schwägerin. Ich denke nicht, daß sie untreu ist. Hat sicher nur gedacht, daß ich schon mit den anderen
     hinübergefahren bin.«
    Germunt schluckte. Es schien eine Fähigkeit von Blinden zu sein, die Gedanken der anderen zu erraten. Er sah |171| Stilla vor sich, und als würde er ihr seine Kraft beweisen wollen, zog er kräftiger an den Rudern.
    »Warum fragt Ihr?« Der Blinde hielt im Schöpfen inne.
    »Ich bitte Euch, schöpft weiter Wasser!« Germunt keuchte. »Ich dachte an eine blinde Frau, die ich gern einmal lebendig wiedersehen
     würde.«
    »Ich verstehe.«
    »Hilfe! Wir sinken!« schrie Germunt, in der Hoffnung, daß man es bei den anderen Booten hörte. Nur noch ein Holzrand von einer
     Elle stand über dem Wasser, und der kalte Fluß griff ihm und dem Blinden längst bis an die Knie. »Könntet Ihr aufstehen und
     winken?«
    Der Blinde gehorchte. Auch er schrie um Hilfe.
    Germunt ruderte wie im Wahn. Als er sich wieder einmal umdrehte, sah er, daß sich ein großer Kahn aus dem Schwarm gelöst hatte
     und auf sie zukam. »Es kommt jemand. Ihr braucht nicht mehr zu winken. Schöpft besser Wasser!«
    Inzwischen legte sich Germunt so kräftig in die Ruder, daß er bei jedem Zug laut zischend Luft hervorpreßte. Es war nahezu
     unmöglich, das Boot bei einem solchen Tiefgang noch vorwärts zu bewegen.
    »Hört zu«, wandte er sich an den Blinden, »wir kommen nicht mehr voran. Ihr werdet heute das erste Mal schwimmen müssen.«
    Das Gesicht des Angesprochenen wurde aschfahl. Er sah Germunt an wie ein Kalb, das zur Schlachtbank geführt wird.
    »Wir werden das Boot umdrehen, so können wir uns länger daran festhalten. Springt ins Wasser und haltet Euch am Rand fest!«
    »Nein! Ich will nicht sterben.«
    »Wenn wir das Boot nicht umdrehen, sterbt Ihr viel eher.«
    Der Blinde streckte einen Fuß ins Wasser und heulte auf.
    »Eilt Euch!«
    |172| »Herr Jesus!« rief der Blinde aus, während er sich langsam ins Wasser gleiten ließ. Er klammerte sich an das Holz und atmete
     in kurzen, entsetzten Stößen. Auch Germunt sprang in den Fluß. Von den Füßen bis zur Brust stach das Eiswasser in seine Haut.
     Er mußte sehr kräftig mit dem gesunden Bein strampeln, um den Kopf über Wasser zu halten. Zwischen knappen Atemzügen stieß
     er hervor: »Ich – komme – jetzt – zu Euch. – Dann – drehen – wir das – Boot.«
    Als er beim Blinden angekommen war, japste dieser um Hilfe und klammerte sich an Germunts Schultern. Germunt versuchte sich
     zu befreien, wurde aber nur verzweifelter festgehalten. Das Gewicht drückte ihn unter Wasser. Sein Schreien verlor sich in
     glucksenden Wasserwirbeln. Er stieß mit aller Kraft nach oben. Jetzt fühlte er den Griff des Blinden am Hals. In äußerster
     Atemnot rammte er ihm die rechte Faust in den Bauch und nutzte die gewonnene Freiheit, um aufzutauchen und Luft zu holen.
     Da wurde er schon wieder gepackt und nach unten gedrückt. Die Kälte lähmte seine Bewegungen. Längst schmerzte nichts mehr,
     er fühlte weder Beine noch Arme.
    Dann färbte sich das Wasser vor

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