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Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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sich.
    Der Bischof war mittlerweile in eine Predigt übergegangen. »… Seht hier die Zelle des heiligen Martin! Bevor ich an seine
     Zeit in Marmoutier erinnere, laßt uns daran denken, wie er durch harten Wind und kalten Schnee ritt, nur gewärmt durch den
     roten Legionärsmantel, und wie er einen Bettler sitzen sah. Der arme Mann war am Erfrieren, und Sankt Martin wußte es wohl.
     Da stieg er vom Pferde herab, zögerte nicht, seinen Mantel mit dem Schwert in zwei Teile zu trennen, und überreichte dem Bettler
     …«
    Für einen Moment dachte Germunt, es sei ihm geglückt, den ungeliebten Gedanken abzuwerfen. Er betrachtete die weiße Felswand,
     sah, daß an anderer Stelle noch weitere dunkle Höhlenöffnungen vorhanden waren. Ab und an lauschte er dem Bischof, der bald
     ins Lateinische überwechselte und mit der Messe begann.
    Dann packte es ihn im Genick, unnachgiebig, unausweichlich, furchtbar.
    Germunts Herz raste. Seine Hände verkrampften sich zu Fäusten.
Ich muß zu den Booten,
hämmerte es in seinem Kopf,
ich muß fort hier.
Er wurde in die Luft geschleudert, hoch hinauf gehoben bis in die Wolken, und unter ihm raste das Land entlang, Flüsse, Felder,
     Seen, so schnell, daß die Augen ihnen nicht folgen konnten. Schließlich wurde die Fahrt langsamer. Germunt schloß die Augen.
     Er wollte die Weinberge nicht sehen, nicht
diesen Wald
, nicht eben
dieses Dorf
, nein, nicht die Kirche, nein!
     
    Die Kirche. »Geh zur Herrin.« Der Priester raunte so nah an Germunts Ohr, daß er die warme, feuchte Luft an der Ohrmuschel
     spürte. »Bitte sie um Vergebung.«
    »Aber wofür? Ich habe ihr doch nichts getan!«
    »Nur durch Unterwerfung kannst du ihren Zorn brechen. Geh hin zu ihr.«
    |176| Er hörte seine eigenen Schritte durch den Kirchenraum hallen. Vor Wut knirschte er mit den Zähnen, daß es schmerzte. Er würde
     zu ihr gehen, ein einziges Mal. Und wenn es nichts fruchtete, dann …
    Mit bebender Faust klopfte er an ihre Tür. Er machte sonst einen Bogen um diesen Raum. Eine schneidige Stimme befahl ihm einzutreten.
    In weiten Falten hingen samtene Tücher an den Wänden, tiefes, schwärzliches Rot. Das Bettlager hätte einer neunköpfigen Familie
     Platz zum Schlafen gegeben. Daneben verzierte, mit Ornamenten bemalte Truhen, eine Bank, eine Fensternische. Dort saß der
     junge Grafensohn und gaffte ihm entgegen. Bei ihm stand die Gräfin. Sie hielt eine Rassel in der Hand, ein hölzernes Ei mit
     Stiel. Natürlich waren ihre Arme schlanker als die der Mutter. Sie steckten in einem weißen, eng anliegenden Untergewand,
     und erst am Ellenbogen verschwanden sie in den weiten, grünen Ärmeln des Obergewandes. Das Kinn der Gräfin zuckte, sie war
     sichtlich überrascht, ihn hier zu sehen. In weichen Bögen spannte sich von dort aus ihr Gesicht, weiche Bögen bis zu den Ohren.
     Der Mund war schmal, die Nase zart und wunderschön, das hatte sie nicht verdient, eine solche Nase. Unter dem glatten, schwarzen
     Haar sah ihn ein grünes Augenpaar herausfordernd an. Wenn sie jetzt noch die Brauen hinaufzog, dann …
    »Was sucht Ihr hier?«
    »Frau Gräfin, ich möchte Euch um Vergebung bitten.«
    Eine dünne, schwarz-stolze Augenbraue hob sich. »Vergebung? Wozu wollt Ihr Vergebung? Ihr werdet so oder so mit dem Bauernpack
     in der Hölle schmoren!«
    »Schmoren!« wiederholte der zweijährige Sohn und klatschte verzückt in die Hände.
    »Ich verstehe.«
    »Wartet! Ihr wollt also, daß ich Euch vergebe? Dann huldigt meinem Sohn! Er ist der zukünftige Graf.«
    Germunt zögerte.
    |177| »Na los! Kniet vor ihm nieder!«
    Leise knarrten die Schuhe. Der Sand darin rieb an Germunts Füßen, als er zur Bank hinüberging. Er beugte erst ein Knie, dann
     das andere, sank vor dem Jungen herab.
    »Warum so stumm? Sagt etwas! Huldigt ihm!«
    Germunt hörte sich mit rauher Stimme sagen: »Lang sei Euer Leben, Graf.«
    »Das war alles? Küß ihm die Füße, elender Bastard!«
    Es schien Germunt, als müßte sein Hals vor Anspannung das Wams sprengen. Unendlich langsam neigte er den Kopf zu den Füßen
     des Jungen, hielt beinahe an; dann schließlich berührten seine Lippen die schmutzige Haut. Er stand auf. »Ich habe genug getan.«
    »Hast du nicht, du Sohn einer Hure!« hörte er die Stimme der Gräfin hinter sich. Dann spürte er eine kühle Klinge und einen
     Ruck an seinem Kopf. Als er sich umdrehte, hielt sie triumphierend seinen langen Haarschopf in der Hand. »Nun bist du wirklich
     ein Bettler, der um

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