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Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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Almosen winselt.«
    Germunt stieß einen wütenden Schrei aus. Seine Faust traf ihr Gesicht mit so großer Wucht, daß es die Gräfin an die Wand schleuderte.
     Über ihre rechte Hand floß Blut. Die Herrin drehte sich zu ihm, ihre Augen blickten starr, trafen ihn nicht wirklich. Jetzt
     erst bemerkte Germunt, wie unbeweglich die Gräfin die blutige Rechte an ihrer Brust hielt, zur Faust geschlossen um den Griff
     des Dolches. Ihre Knie gaben nach, sie brach zusammen. Nicht wie ein Mensch hörte es sich an, als sie auf dem Boden aufkam,
     eher so, als würden einem Karren unter schwerer Last die Achsen brechen. Augen und Mund standen offen, aber sie rührte sich
     nicht mehr. Hinter Germunt begann der Grafensohn zu weinen.
    In den Haß, den er fühlte, mischte sich Abscheu.
Ich bin ein Mörder. Ein Mörder …
     
    »Mörder«, hörte er sich sagen. Er war auf der Loire, saß in einem Ruderboot und trieb geradewegs auf die mächtige |178| Kirche zu, die abseits von der Stadt am Flußufer stand. Germunt hob seine Hände ins Licht. Schmutzig waren sie, aber nicht
     blutig.
    Nur langsam beruhigte sich sein Herzschlag. Der frische Wind über dem Fluß kühlte ihm das tränennasse Gesicht.
Was ist nur aus meinem Leben geworden?
    All die Träume, als er mit dem kleinen Holzschwert über den Hof tobte, Träume vom richtigen Schwert und der kräftigen Hand,
     mit der er die Räuberbanden auseinandertreiben wollte. Ja, er wollte eines Tages aus dem blauen Kelch des Vaters trinken,
     und die Männer sollten ihm auf die Schultern schlagen, mit diesem Blick, der Bewunderung und Angst in sich trug.
    Das Gefühl damals beim Ausritt auf dem eigenen, riesengroßen Pferd, daß jeder Flecken Land, auf den das Roß seine Hufe setzte,
     eines Tages ihm gehören würde, ihm allein. Jeder Baum, der sich dort am Waldrand im Wind bog, jedes Blatt, das über den Weg
     wehte, jeder Weinstock auf den Hügeln. Er wollte ein starker Herr werden, noch stärker, als der Vater es war.
    Wie ich manchmal nachts das federgefüllte Kissen beiseite getan habe, um nicht weich zu werden! Als hätte ich geahnt, daß
     ich später mein Leben lang auf hartem Boden schlafen würde.
    Denn es war aus und vorbei gewesen, als der kleine Grafensohn zur Welt kam. Damals war es Nacht geworden, und die Sonne war
     nie wieder aufgegangen.
    Germunt ließ eine Hand über den Rand des Bootes baumeln, tauchte sie ins Wasser, ließ die Finger darin treiben. Es war kalt.
     Hätte er nicht vor einer Stunde in diesem Fluß ertrinken können? Er wollte erschrecken, fühlte sich verpflichtet, zu erschrecken,
     aber die Gleichgültigkeit wich nicht von ihm.
    »Auf!« befahl er sich, griff nach den Rudern und zog kräftig durch. Bald kam er bei der Kirche ans Ufer. Das Boot zog er ein
     Stück an Land. Der Besitzer würde es finden, irgendwann.
    |179| Zwischen den breiten Häusern war es still. Die Menschen, die diesen Ort sonst bevölkerten, waren wohl allesamt in Marmoutier
     und lauschten der Messe. Germunt hatte das dringende Bedürfnis zu schlafen. Er betrat eines der Häuser, folgte dem Flur bis
     zum Ende und schob die letzte Tür auf. Das Halbdunkel des kleinen Raumes tat ihm wohl. Es roch nach kaltem Talglicht und Pergamenten,
     fast wie in Biterolfs Schreibstube.
    Germunt lehnte sich an die Wand und ließ sich heruntersinken, bis er saß. »Herr, wenn du das kannst: Vergib mir.« Während
     er wegdämmerte, war es ihm manchmal, als wäre da ein Echo zu seinen Atemzügen im Raum.

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    |180| 14. Kapitel
    Ein ungutes Gefühl beschlich Biterolf, als er den blonden hochgewachsenen Mann aus dem Bischofspalast treten sah. Er hatte
     Ato schon häufig zornig gesehen, und immer schimpfte der Heißsporn dann laut vor sich hin, ganz ungeachtet derer, die in seiner
     Nähe waren. Jetzt aber wallten lautlose Gewitterwolken über sein Gesicht. Sein Weg führte ihn ohne Zweifel zu Thomas.
    »Heda, Ato, Ihr seht unglücklich aus. Seid Ihr krank?«
    »Pah! Krank! Da gibt es jemand anderen, der scheinbar im Krankenwahn liegt. Gesandtschaften hier, Beratungen dort – aber für
     seine eigenen Leute hat er nicht einen Wimpernschlag Zeit. Ich sage Euch, mit diesem Bischof nimmt es noch ein böses Ende!«
     Ohne auf eine Antwort zu warten, stieß Ato die Tür zum Kellergang auf und verschwand darin.
    »Der Herr schlage mich mit Krankheit, wenn Ihr nicht einen gehörigen Anteil an diesem Ende haben möchtet«, murmelte Biterolf.
     »Wenn ich jetzt nicht zu ihm gehe und ihn warne,

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