Der Kalligraph Des Bischofs.
Eurem Hof leben.«
»Was erwarten diese Burschen? Ich kann mich nicht um den Hühnerstall kümmern, wenn die ganze Diözese bedroht ist!«
»Aber wenn das Herz krankt, kann auch die Hand nicht kämpfen.«
Auf der Stirn des Bischofs erschienen Falten. »Ihr seid ein kluger Mann, Biterolf.« Man sah, daß ein Ringen hinter der braungebrannten
Stirn stattfand. »Wer ist es?«
»Nun, sicher ärgern sich auch der Kanzler und andere Männer. Gefährlich ist aber der Zorn Atos, den ich heute gesehen habe.
Der Kellermeister Thomas ist auf seiner Seite. Sie planen Böses, das spüre ich.«
»Warten wir das erst einmal ab. Ich werde vorsichtig sein, aber wir sollten den Männern auch die Möglichkeit lassen, ihre
Wut zu mildern.« Claudius erhob sich. »Der Tag ist nicht mehr lang. Würdet Ihr zu den Gasträumen gehen und dem Propst den
Heimweg empfehlen? Sagt ihm, ich habe heute keine Zeit, ihn zu empfangen. Er soll sich der Entscheidung meines Vorgängers
fügen, was seine Zinsbeschwerde angeht.«
Biterolf trat auf den Hof hinaus und wäre beinahe mit Ademar zusammengeprallt, der sich, am Türrahmen abgestützt, vornübergeneigt
hatte, um eine schwere Kiepe abzusetzen. Seitwärts ließ er sie vom Rücken rutschen. Es duftete daraus verlockend nach frischem
Brot. »Verzei hung , Ademar, wißt Ihr, wo ich den Propst finde, der gestern |184| angereist ist? Er ist nicht mehr in den Räumen der Gäste.«
»Da kann ich Euch nicht helfen«, ächzte Ademar und streckte den Rücken. Er wies auf die Kiepe. »Ich war die letzten Stunden
nicht hier, wie Ihr seht.«
Warum schaut er mich nicht an? »Brot habt Ihr geholt? Mußtet ja ganz schön schleppen!«
»Ach, das ist nicht der Rede wert.«
Da stimmt etwas nicht. Es ist nicht Ademars Aufgabe, für die Mahlzeiten zu sorgen. Wieso wettert er nicht, beschwert sich
nicht, daß man ihn damit belangt hat?
»Warum wurdest du geschickt?«
»Thomas hat mich gebeten, ganz einfach.« Er sprach schnell, gereizt. »Was wollt Ihr von mir?«
Am besten ist es, wenn ich ihn mit deutlichen Worten prüfe.
»Wo warst du denn noch? Verheimlichst du was?«
Jetzt schnellte der Blick Ademars hoch. »Ich war einfach Brot holen, ja? Was befragt Ihr mich, als hätte ich etwas verbrochen?«
»Tue ich das? Verzeiht mir. Ich bin vielleicht etwas gereizt, weil so viele den Bischof maßregeln. Das macht mir Sorgen.«
»Ihr steht immer noch auf seiner Seite?« Fast mitleidig hob Ademar die dünnen, schwarzen Augenbrauen. »Ist Euch klar, was
er heute getan hat?«
»Ich weiß nicht, was Ihr meint.«
»Er hat das Geburtsrecht Godeochs angegriffen. Der Stolz der Grafenfamilie liegt darin, daß sie als eine der letzten Langobardenstämmigen
in Norditalien herrschen. Sind nicht fast überall die Grafenämter inzwischen mit fränkischen Fremden besetzt? Und nun lädt
sich Claudius die verarmten Langobarden ein, denen der Wunsch nach Macht noch in den Knochen sitzt, weil sie einst mächtig
waren, und beschenkt sie. Was soll das? Will er sie dem Grafen abspenstig machen?«
»Godeoch kann sich doch freuen, wenn Claudius die Langobarden mit Land und Gütern belehnt.«
|185| »Ihr versteht das wirklich nicht? Die Güter sind kein Geschenk! Da wird eine Gegenleistung erwartet, Heeresfolge, Rat und
Hilfe – und damit zieht er sie auf seine Seite, weg vom gräflichen Lager, hin zu sich.«
»Und was ist daran so schlimm? Ihr klingt geradezu, als wärt Ihr Dienstmann des Grafen und nicht des Bischofs!«
Ademar schüttelte den Kopf. »Wieder habt Ihr diesen anklagenden Ton in der Stimme. Was soll das? Was wollt Ihr? Mich beim
Bischof anschwärzen? Habt Ihr doch sowieso längst getan. Ich war Brot holen, verstanden?«
»Schon gut.«
Biterolf sah Ademar hinterher, der zur Küche ging. Die Kiepe hatte er stehengelassen.
Überhaupt nicht gut.
Möglich, daß Ademar, der Stille, der Unauffällige, viel gefährlicher war als Ato und Thomas und alle anderen zusammen.
Der Schein des kleinen Talglichts spielte Verstecken in den Winkeln und Ecken der Schreibstube. Farros schwarzer Brustkorb
hob und senkte sich gleichmäßig, längst schlief er seinen gesunden Hundeschlaf.
Was für ein merkwürdiger Tag,
ging es Biterolf durch den Kopf. Er betastete nachdenklich die Gänsefeder in seinen Händen, zerfledderte ihre Fahne und streichelte
sie wieder glatt. Dann saß er still, und sein Blick stand starr.
Wenn Germunt die Reise überlebt hat, muß er inzwischen in Tours sein. Warum
Weitere Kostenlose Bücher