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Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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ihm nicht leicht, die Spitze auf seine Augenhöhe
     anzuheben, und er preßte dabei die Lippen aufeinander. Dann drehte Biterolf sich einmal um sich selbst. Kein Ton war zu hören.
     Wieder drehte er sich, schneller diesmal. Er taumelte, sah die Wände um sich tanzen, und endlich begann die Klinge leise zu
     singen.
    »Biterolf!« Die Stimme des Bischofs hallte über den Hof. Knapp hatte er den Namen gerufen, ohne jenen Ton der Macht, der sonst
     die Worte des Bischofs füllte.
    »Euer Schreiber? Wie soll der Euch helfen?« Der Graf brach in meckerndes Gelächter aus. »Wie seltsam verhalten sich doch Menschen
     in ihren letzten Augenblicken.« Seine Stimme schnitt plötzlich mit Urgewalt durch die Luft. »Kniet nieder!«
    Biterolf neigte sich aus dem Fenster und sah, wie der Bischof auf die Knie ging. Für einen Moment zögerte er noch.
Was tue ich hier?
Dann rief er: »Herr, fangt!«
    Godeoch sah erstaunt hinauf, erblickte das Schwert, das Biterolf an der Spitze hielt und mit dem Knauf hinabhängen ließ. Die
     Arme des Bischofs reckten sich danach, und Augenblicke später hielt Claudius die riesige verzierte Klinge in seinen Händen.
    »Niemals könnt Ihr kämpfen«, spottete der Graf, ging aber drei Schritte rückwärts, um sich aus der Reichweite des Schwertes
     zu bringen.
    Langsam erhob sich Claudius. Seine Gesichtszüge entspannten sich. Er lockerte seine Hände am Schwertknauf, dann schwang er
     die Klinge in die Höhe, ließ sie fallen, ohne sie loszulassen, hob sie wieder hinauf. Eine Kreisbewegung entstand, und man
     hörte ein tiefes Brummen.
    |189| »Denkt Ihr, Ihr könnt mich damit beeindrucken?« brüllte Godeoch und hob sein Schwert gegen den Bischof. Dessen riesige Klinge
     unterbrach mühelos seinen Weg. Scheppernd und kreischend schreckte Godeochs Waffe zurück. Es wurde totenstill auf dem Hof.
     »Nehmt dies!« Wieder teilte Godeoch Schwerthiebe aus, aber immer dort, wo sein Schwert den Bischof treffen wollte, wurde es
     von der verzierten Klinge erwartet und mit einem metallenen Gellen abgewiesen.
    Der Graf wandte sich ab und entfernte sich einige Schritte. Er schüttelte ein schiefes Lachen aus seinem Körper. »Schaut euch
     das an! Ein Bischof, der mit der Waffe streitet.« Dann wurde seine Stimme plötzlich kalt. Er zog mit der linken Hand einen
     Dolch aus seinem Gürtel und sprach beinahe reglos: »Ich töte Euch.«
    Biterolf lief ein Schauer über den Rücken, als er sah, wie der Graf geschmeidig in die Knie ging, wie er herumwirbelte und
     Claudius mit einer Serie von schnellen Schlägen so bedrängte, daß dieser kaum mit seinem großen Schwert hinterherkam. Die
     Waffe Godeochs fauchte immer wieder wie aus dem Nichts durch die Luft und ließ dem Bischof nichts anderes übrig, als in mühseliger
     Verteidigung langsam zurückzuweichen.
    Schließlich stand er vor der Tür zum Palast, und Biterolf konnte ihn nicht mehr sehen. Er hörte nur, wie das scheppernde Aufeinanderklirren
     der Klingen verebbte und ein Raunen durch die Dienstleute ging. Dann sah er den Grafen triumphierend auf den Platz laufen,
     in der hoch erhobenen Hand einen rotgefärbten Dolch.
    Ich bin schuld daran. Ich hätte ihm nicht das Schwert geben dürfen. Gewaltbereitschaft fordert Blut.
    Ein tiefer, wütender Schrei ertönte, in einer Sprache, die Biterolf nicht verstand. Claudius trat auf den Platz, das Schwert
     in der einen Hand, die andere Hand auf seine Seite gepreßt. Erneut spie er unverständliche Worte aus. Ein dunkler, gezackter
     Strich erschien auf seiner Stirn.
    |190| Der Graf drehte sich um und lächelte teuflisch. »Ihr kommt, Euch den Gnadenstoß zu holen?«
    »Nein. Ich komme, Euch etwas zu fragen. Habt Ihr einmal mit einem Mauren die Klinge gekreuzt?«
    »Nein.«
    »Schade für Euch.« Der Bischof lächelte müde. Er änderte völlig seine Haltung. Anstatt die Füße fest auf den Boden zu rammen,
     wie Schwertkämpfer das zu tun pflegten, lockerte er seinen Schritt, begann zu laufen. Auch festigte er sein Handgelenk, führte
     das Schwert wie eine Verlängerung des Arms, nicht mehr als einen eigenen Gegenstand, sondern als Teil seiner Gliedmaßen.
    Er schüttelte die Mähne, als wollte er die Schwäche aus seinem Kopf schleudern, und griff nun seinerseits den Grafen an.
    »Die Mauren stehen nie still im Kampf.«
    Godeoch wehrte mit Mühe einen fremdartigen Schlag ab. »Ihre Krummschwerter sind ihre Hände.«
    Godeoch sprang zurück, weil seine Klinge rechts war, während das Schwert des Bischofs

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