Der Kalligraph Des Bischofs.
unerwartet auf seine Linke schwang.
»Besonders gefürchtet sind ihre Finten.« Claudius begann, angriffslustige Bewegungen und Schritte anzudeuten, führte sie nur
zur Hälfte aus, als hätte er sich zu einem anderen Schlag entschieden. Als er endlich einen Hieb vollständig führte, war der
Graf unvorbereitet. Das gräfliche Schwert flog in einem plötzlichen Schwung aufwärts. Biterolf sah Godeochs Hände ins Leere
greifen. Sein Schwert schlitterte über den Hof.
Beide Kämpfenden stürmten zu ihm hin, doch der Graf war der Schnellere. Er versetzte Claudius im Handgemenge einen Stoß auf
die blutende Seite und hielt dem ächzenden Mann sein Schwert entgegen. »Das war gut. Aber nicht gut genug.« Den Worten folgte
ein heißer Sturm von Stichen und Schlägen. Godeoch wirbelte umher wie ein Jagdhund, der mit einem Bären kämpft.
|191| Wie es genau geschehen war, konnte Biterolf nicht ausmachen, aber irgendwann war es still auf dem Hof, und alle starrten auf
den Dolch, der dem Bischof unterhalb der Rippen im Körper steckte. Claudius’ sonnengegerbtes Gesicht verlor an Farbe, ähnlich
einem Tag, der sich dem Ende zuneigt. Er zog mit einem leisen Stöhnen den Dolch heraus, fuhr sich mit der blutigen Hand durch
die Locken und fügte sie wieder an seinen Schwertknauf. Unerwartete Ruhe legte sich ihm um Augen und Mund.
Godeoch wich Schritt um Schritt zurück, obwohl der Bischof noch still auf seinem Platz stand. Eine unsichtbare Macht schien
ihn fortzuziehen. Dann nahm der Bischof sein Schwert wieder in beide Hände, hob langsam seine Klinge, ließ sie fallen, hob
sie wieder, bis aus einzelnen fauchenden Schlägen ein brummendes, gleißendes Feuer wurde. Mit gleichmäßigen Schritten folgte
er dem Grafen. Godeoch hielt sein Schwert gegen die silberne Flamme, aber es prallte ab wie ein Spielzeug. Er holte aus und
schlug seine Klinge in den singenden Kreis – da flog die Hälfte in den Sand, und er hielt nur noch einen Schwertstumpf in
der Hand.
Die Umstehenden murmelten verwundert.
Der Graf schien kurz unentschlossen, dann zog er sich zurück und ritzte sich dabei mit dem Schwertstumpf in den Unterarm.
Immer noch rückwärts laufend, saugte er ein wenig Blut heraus und spie es vor Claudius auf den Boden. »Ich komme wieder.«
Er duckte sich unter der summenden Waffe des Bischofs hindurch und rannte zum Torbogen. Niemand hielt ihn auf. Als Claudius
das Zweihandschwert zur Ruhe brachte, entstand für Biterolf der Eindruck, die Klinge führe mehr ihn als er sie. Er schleppte
die Waffe mit schleifender Spitze über den Hof und trat durch die Palasttür. Ein Krug ging zu Bruch, ein bronzenes Tablett
rasselte zu Boden, und dann hörte man den schweren Körper des Bischofs aufschlagen.
Biterolf fühlte sich dumpf, als wäre er eine Puppe aus |192| Stroh und Holz.
Das Höllenfeuer leckt schon nach meinen Füßen, hier durch den Boden hindurch. Ich habe Gott verraten.
Nachdem er den Bischof in seinem eigenen Blut vorgefunden hatte, mußte er sich übergeben. Er wankte aus der Tür hinaus und
erbrach sich erneut.
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|193| 15. Kapitel
Er war sich sicher, daß er träumte. Über sich gebeugt, sah Germunt eine Fratze, wie sie nur in den schlimmsten Gedankengespinsten
herumgeisterte.
Es war nicht viel mehr als ein Schädel, eng mit runzliger, schwefelgelber Haut umspannt. Die dürren Lippen stülpten sich hilflos
über vereinzelt stehende Zähne, so als könnten sie sich nicht mehr schließen. Wenige dunkle Haarfusseln waren auf dem Haupt
verstreut, einige andere hingen am Kinn.
Aber da war dieses Augenpaar, das tief hinter den Wangenknochen lag und so menschlich, so steinalt und gleichzeitig lebendig
blickte, daß es ihn hinderte, laut aufzuschreien. Eine dürre Hand strich über seinen Arm. Germunt sah ein, daß er wach war.
»Willkommen in Tours.« Die Worte des gelben Gesichts rannen faserig aus dem Mund.
Germunt war, als würden kleine Spinnen seinen Rücken hinaufkrabbeln. Er hielt die Lippen geschlossen.
»Ihr habt lang genug geschlafen, meine ich.« Das Gesicht zog sich zurück.
Für einen Moment kniff Germunt die Augen zu.
Es ist ein Mensch. Es ist ein Mensch, der essen und trinken muß, der Hunger und Durst spürt wie ich. Sicher weiß er, wie häßlich
er ist. Vielleicht war er einmal ein hübscher Jüngling und erschrickt jetzt jedesmal, wenn er in eine Pfütze schaut?
Mit zusammengebissenen Zähnen schluckte Germunt alle Abscheu hinunter. Er
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