Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
Vom Netzwerk:
erkundigen.
     Nicht der Graf, aber immerhin ein Bote. Ob sie sich doch eines Tages vertragen konnten? Odo behauptete, Godeochs Berater hätten |212| ihrem Herrn vor Augen geführt, wie schlimm es wäre, wenn er als Bischofsmörder bekannt werden würde. »Da ist nichts Ehrenrühriges
     dran, wenn er sich jetzt nach Claudius’ Befinden erkundigt. Er macht sich allein Sorgen um seinen Ruf.« Aber konnte Odo das
     denn wissen? Und Biterolf, der Arme, war ganz verstört gewesen, hatte sich Vorwürfe gemacht, wieder und wieder. »Ich habe
     ihm die Waffe gegeben.«
Der Satz hat sich mir gut eingeprägt,
dachte Stilla.
Er hat ihn ja oft genug wiederholt, so daß ich ihn jetzt schon beim Gedanken daran sprechen höre, in diesem bitteren Raunen,
     dieser Art, zwischen Flüstern und Sprechen Selbstverachtung hinauszuzischen.
»Ich habe ihm die Waffe gegeben.«
    »Aber du kannst bei dem Gelehrten Odo schlafen«, sagte Claudius. »Wenn er es gestattet. Ich will dich für deinen Gesang mit
     einem warmen Mantel belohnen.«
    Die Töne der Laute sprudelten bis in die letzte Ecke des Raumes.
    »Für das Geschenk sei Euch gedankt
    So oft, daß Euer Ruhm gelangt
    Von Süd nach Nord
    An jeden Ort
    Und weiter fort.
     
    So höret mich nun singen
    Von heldenhaften Dingen,
    Die ein gewisser Suppo tat,
    Was schließlich ihm geschadet hat.
     
    Schon seine Väter waren reich,
    Ihr Landgut machte Kaiser bleich.
    In Brescia fing alles an,
    ganz Norditalien wurde’s dann.
     
    Ich streite nicht – er ist gewitzt,
    Doch was in seinen Augen blitzt,
    Das war einst Mut, jetzt ist es Gier –
    Ich sah es deutlich, glaubet mir.«
    |213| Stilla versuchte, sich einen Menschen mit blitzenden Augen auszumalen. Sie wußte nicht wirklich, wie Augen aussahen, kannte
     nur die Mischung aus Schmerz und Neugier, wenn sie ihre eigenen berührte. Aber Blitze hatte sie gehört. Sie waren gewaltig,
     knallten und zischten, bevor ein Donnergrollen in die Ferne preschte. Ein Mensch mit solchen Augen? Diesem Suppo wollte sie
     niemals begegnen.
    »Sehr blasse Lippen, breiter Bart,
    Ein gelber Umhang, Frankenart,
    Und seinen Kopf ziert eine Mütze,
    ganz aus Brokat, zum Ohrgeschütze,
     
    Daß man ihn leicht erblicken kann.
    Doch sieht er selber Menschen an,
    Trifft sie sein Blick nie ins Gesicht,
    Denn kräftig schielt sein Augenlicht.«
    Aus der Musik hörte Stilla wieder die Flüsterstimme heraus. »Oder du holst jetzt jeden Morgen für mich das Wasser vom Brunnen.«
    »Ich muß schon unser Wasser holen. Außerdem, was soll deine Mutter sagen?«
    »Gar nichts. Ich tu so, als würde ich gehen, und gebe dir draußen die Eimer. Während du schleppst, spiel ich ’ne Runde.«
    Was für ein Lump,
dachte Stilla. Sie schüttelte das Gehörte von sich ab wie eine Fliege.
Ich kann dem Kleinen sowieso nicht helfen. Als blinde Frau?
Aber der Spielmann würde heute abend bei ihnen sein. Odo konnte das Angebot des Bischofs nicht zurücknehmen, ohne ihn öffentlich
     zu beleidigen. Vielleicht freute er sich ja auch, den Spielmann bei sich zu haben. Er würde es natürlich nicht zugeben in
     all seiner Gelehrsamkeit.
    »Du bist gemein.«
    »Aber stärker. Wenn du nicht tust, was ich sage, schlage ich dich zusammen.«
    |214| »Mein Vater würde dir –«
    »Dein Vater ist tot, du Heulsuse. Bestimmt haben sie ihn nicht ohne Grund erstochen. Der steckte doch da überall mit drin.«
    »Überhaupt nicht wahr! Er steckte nirgendwo drin!«
    Ob der Spielmann ihr allein noch ein Lied singen würde? Was konnte sie ihm geben, um ihn dazu zu bewegen? In ihren Ärmelsaum
     hatte sie vor Jahren ein Silberstück eingenäht. Es war eigentlich für Notzeiten gedacht. Aber hatten die Münzen ihre Eltern
     nicht umgebracht, damals? Sie würde den Spielmann heute abend bezahlen.
    Die Vorstellung, sich ein eigenes Lied zu kaufen, das er nur für sie singen würde, zog ihr als unruhiges Kribbeln vom Bauch
     zum Hals. Für diesen Moment würde sie eine wichtige Person sein.
Jeder verdient einen solchen Moment im Leben,
sagte sich Stilla.
Der meine ist heute gekommen.
    Da war ein Gedanke, den sie nach hinten drängte. Ja, die Jungen, die in ihrer Nähe flüsterten. Sie fühlte sich schmutzig,
     aber sie wollte nicht darüber nachdenken.
    »Und so gewann der stolze Mann
    Zwar Länder, Gold und Güter dann.
    Eins fehlt jedoch zu seinem Glück,
    Sein liebes Weib kommt nicht zurück.«
    Die Dienstleute grölten, jubelten und trampelten vor Vergnügen mit den Füßen auf den Boden. Einige Münzen

Weitere Kostenlose Bücher