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Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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die Sache unter uns.«
    Wieso hatte der Spielmann jenen Rotkehlchenhauch auf den Wangen, den er beim Besingen von Liebesszenen gestern abend gezeigt
     hatte, während er nun vor Stilla stand? Biterolf schob sich ein wenig näher, um das Gespräch zu belauschen.
    »Mit Leimruten fängt man Vögel. Grüßt mir Germunt.«
    »Wie meint Ihr das?«
    »Das wißt Ihr nicht?« Bitterkeit schwang in der Stimme des Spielmanns mit. »Er muß sicher nicht sein Leben mit verbotenen
     Liedern wagen, um einen Kuß von Euch zu gewinnen.«
    »Da ist nichts zwischen Germunt und mir. Er ist ein Mörder!«
    »Ich habe das abscheuliche Wort selten so zart gesprochen gehört.«
    Stilla zog die Stirn in Falten.
    »Aber es geht mich nichts an. Ein letzter Handkuß?«
    Es war nur ein winziges Zucken ihrer Hand, aber dem Spielmann war die Geste scheinbar nicht entgangen. Er griff nach Stillas
     Fingern und hob sie an seinen Mund. Nachdem er sie geküßt hatte, lächelte er. »Na also. Seid nicht so zaghaft, junge Frau.
     Ihr seht gut aus und habt ein |228| freundliches Herz. Wenn Ihr einmal das Alleinsein satt habt, denkt an mich. Ihr schuldet mir einen Kuß – einen richtigen.«
    »Ich weiß. Seid Ihr mir böse deswegen?«
    »Mumpitz. Ihr schuldet ihn mir, und diesen tröstenden Gedanken werde ich bis zu dem Tag aufheben, da Ihr Eure Schuld einlöst.
     Ich komme sicher wieder nach Turin. Freut Ihr Euch, wenn ich komme?«
    »Das tue ich, von Herzen.«
    Beide lächelten. Dann zeigte Stilla zum Ausgang. »Wer hat dort vorhin an der Tür gestanden?«
    »Ich habe niemanden gesehen.«
    Biterolf dachte angestrengt nach. Ihm war niemand aufgefallen, aber jetzt, wo die Frage aufkam, schien es ihm, als habe er
     kurz ein Gesicht erblickt.
    Als er sich wieder Stilla und dem Spielmann zuwandte, lösten sich die beiden aus einer Umarmung.

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    |229| 17. Kapitel
    Germunt nahm den Stock aus dem Winkel in Aelfnoths Kammer, befreite ihn von Spinnfäden und wog ihn in den Händen. »Wieder
     reisen«, seufzte er.
Dieses steife Bein hinter mir herziehen, Tag für Tag, Woche für Woche. Und dann die Berge erklimmen, als Krüppel. Muß ich
     das?
Er fuhr mit dem Finger nachdenklich die rauhe Wand entlang.
Stilla ist froh, wenn ich in der Ferne bin.
    Trotzdem würde er die Reise machen. Germunt umfaßte den Stock fester.
Ich habe einen wichtigen Brief zu überbringen und eine Warnung. Claudius vertraut Theodemir, während der ihn verrät. Das muß
     Claudius erfahren. Und es gibt Arbeit zu tun. Der Bischof wird sehen, daß er mich nicht umsonst nach Tours geschickt hat.
     Er hat meine Dankbarkeit verdient, und er wird sehen, daß ich ihm nützen kann.
    Vielleicht werde ich mir irgendwann meinen eigenen Weinberg erarbeiten. Die Tote hat mein Leben als Grafensohn mit ins Grab
     genommen. Aber diesen Traum wird sie nicht in ihren Krallen halten.
    Die Stimme des alten Weinbauern, gleichzeitig rauh und auf eine gewisse Art sanft, ertönte in Germunts Gedanken. »Wenn du
     die Geiztriebe erst im Winter schneidest, dann hat der Rebstock offene Schnittwunden am Stamm. Besser ist es, wenn du sie
     ausbrichst, solange sie grün sind. Die Wunde hat Gelegenheit, bis zum Herbst zu verheilen.«
    »Eines Tages«, sagte Germunt in die Kammer. »Der Tag kommt sicher.«
    Er trat vorsichtig mit dem steifen Bein auf, dann etwas kräftiger. Die Schmerzen im Knie waren verschwunden.
     
    |230| Es hatten nur ein paar Tage werden sollen bei dem Bauernehepaar in den Bergen. Aber auch wenn ihn die alten Leute nicht mit
     der Kraft ihrer Arme halten konnten, sie konnten es mit Worten und tränenerfüllten Blicken.
    Befiel Germunt Unruhe, dachte er an den Brief, den der Bischof erhalten mußte, dann sagte der Senner: »Ich hatte zwei Söhne,
     Germunt. Ich weiß, wie waghalsig junge Männer sind. Und ich habe keine Lust, noch einen von euch an die Schluchten zu verlieren.
     Warte, bis der Winter vorüber ist.«
    Erwischte ihn die Sennerin dabei, wie er grüblerisch die Hänge hinaufsah, tropfte gleich Wasser aus ihren Augen. »Du denkst
     doch nicht ans Gehen? Bitte, sei vernünftig. Willst du dir den Hals brechen auf den glatten Pässen? Ich werde nie wieder froh,
     wenn du jetzt gehst und da oben im Eis umkommst.«
    Germunt wollte ihnen keine Sorgen bereiten. Und er wußte, daß diese Sorgen berechtigt waren: Der Schnee verbarg die Wege in
     den Bergen, und das Eis konnte jeden Schritt in einen tödlichen Sturz verwandeln.
Einmal habe ich es überlebt, auf der Flucht damals. Darf

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