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Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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Strafe zuzuführen?
Er würde mich nicht beständig lieben. Ein Dieb ist flüchtig wie der Staub, der sich in keinem Sieb fangen läßt. Oh, wäre ich
     nicht blind gewesen damals, ich hätte meine Eltern gerettet.
    |225| »Ich habe es die ganze Zeit gesagt. Der Mann ist ein Verräter!«
    Ato wurde von den anderen zischend zur Ruhe gebracht. »Seid Ihr verrückt geworden, Ihr weckt den ganzen Hof mit Eurem Geschrei!«
    »Stilla.« Sie spürte Biterolfs schwere Hand auf ihrer Schulter. »Wir werden morgen alles in Ruhe mit dem Bischof besprechen.
     Du kannst dich einstweilen in der Schreibstube ausruhen. Für den Spielmann ist noch ein Fleckchen frei im Schlafsaal, und
     morgen früh, sobald die Sonne aufgeht, tragen wir die Sache Claudius vor. Bist du einverstanden?«
    Stilla nickte.
     
    Als Biterolf mit Meister Odo den Kaminsaal betrat, senkte der Spielmann gerade wieder seine Laute. Einige Töne irrten noch
     im Raum herum. Die Augenbrauen des Bischofs waren zu dichten Büscheln zusammengezogen, und auf seiner Stirn zeigten sich Falten.
     Schließlich sprach Claudius, langsam, bedacht: »Er mag nördlich der Alpen ein Mörder sein; hier ist er es nicht. Christus
     hat vergeben, wir werden ihn nicht richten.« Seine Augen maßen Odo, Ato, Biterolf, Stilla, den Spielmann. »Er hat gestohlen,
     weil ihn hungerte. ›Man strafe nicht den Dieb, der stiehlt, um sich den Magen zu füllen, weil er Hunger hat‹, so heißt es
     im Buch der Sprüche im sechsten Kapitel.«
    »Trotzdem gibt es das Recht, Gesetze einzufordern«, warf Odo ein. »Verzeiht meine Offenheit, Ehrwürden – Godeoch hat vielleicht
     unter dem Druck seiner Berater eingesehen, daß er Euch im Augenblick nicht öffentlich niederschlagen darf, aber genauso wie
     er bei Germunts Rückkehr die Strafe für seinen Diebstahl einfordern wird, da bin ich sicher, so dürfen auch die Franken ihre
     Gesetze durchsetzen. Bei den Franken ist es tatsächlich üblich, daß Verwandte des Getöteten den Mörder jagen, und wenn sie
     ihn finden, erschlagen sie ihn.«
    |226| Der Spielmann nickte. »Man nennt sie Bluträcher, ich habe mehrfach von solchen Fällen gehört.«
    Sie sieht nicht aus, als hätte sie gut geschlafen,
dachte Biterolf nach einem Blick auf Stilla.
    Leise ergriff sie das Wort: »Ich dachte, es ist richtig, Euch das zu melden, Herr.«
    »Das ist es auch.« Der Bischof sah zu seinem Rechtsgelehrten. »Odo, gibt es einen Weg, ihn zu befreien?«
    »Im niedergeschriebenen Recht der Franken gibt es die Möglichkeit, den Schuldigen freizukaufen, durch ein Wergeld von, für
     eine getötete Edle, zweihundert Silbergroschen oder zweitausendvierhundert Silberpfennigen. Wenn sie es annehmen.«
    »Zweihundert Schillinge … Das sind zehn Pfund Silber!« entfuhr es Ato. Der Langobarde hatte sichtlich Schwierigkeiten, seinen
     Zorn im Zaum zu halten.
    »Er ist Unfreier«, bemerkte der Spielmann besorgt. »Er gehört seinem Herrn.«
    Claudius kniff die Augen zusammen. »Unfreier? Ein Entflohener?«
    »Habt Ihr dem Lied nicht gelauscht?« Ato schlug mit der Faust gegen die Wand, und es sah so aus, als hätte er am liebsten
     noch dagegengetreten. »Dieser Halunke stiehlt, ermordet seine Herrin, flieht vor der Strafe und wird hier wie ein König aufgenommen!«
    Der Hals des Bischofs färbte sich rot vor Zorn. »Schweigt!«
    Wie ein Peitschenschlag verhallte das Wort.
    Dann setzte Claudius erneut an. »Mit den Franken werden wir schon fertig. Odo, wenn wir die Gesetze beachten wollen, wie können
     wir den Mörder zusätzlich zu seiner Blutschuld von seinem Herrn frei machen?«
    »Ich halte es nicht für klug, in diesem Fall alle Mittel –«
    »War meine Frage so undeutlich?«
    Der Gelehrte zeigte wenig Regung, aber allein daß er einen Moment schwieg, ehe er weitersprach, ließ seinen inneren |227| Kampf erahnen. »Verzeiht, Herr. Bei den Franken ist ein Schatzwurf üblich, um Unfreie frei zu machen. Dabei wird ihnen eine
     Münze aus der Hand geschlagen, und der Besitzer sagt: ›Ich gebe dir Freiheit.‹«
    »Wunderbar.«
    »Allerdings ist das nicht legal, weil Ihr nicht der Eigentümer Germunts seid.«
    Claudius reagierte nicht auf Odos Einwand. »Spielmann, wirst du diese Geschichte für dich behalten?«
    »Ich kann in zehn Sprachen meinen Mund halten.«
    »Gut. Dann laßt Euch von Frodwald ein Silberstück und einen guten Mantel geben und zieht Eures Weges. Für die anderen: Im
     Falle, daß Germunt zurückkehrt, wissen wir nun, was zu tun ist. Bis dahin bleibt

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