Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der kalte Hauch der Angst

Der kalte Hauch der Angst

Titel: Der kalte Hauch der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Lemaitre
Vom Netzwerk:
Wohnung liegt etwas tiefer. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich tatsächlich zwei Fenster ihrer Wohnung sehen kann. Wohn- und Schlafzimmer. Vor beiden Fenstern hängen Vorhänge aus Musselin. Ich nahm gleich einen Stift zur Hand und erstellte in meinem kleinen Heft eine Liste der Dinge, die ich besorgen müsste.
    Als ich ging, gab ich der Concierge ein gut kalkuliertes Trinkgeld.
    13. August
    Mit dieser Brille bin ich sehr zufrieden. Der Verkäufer im Geschäft für optische Geräte schien gut Bescheid zu wissen. Dieser Laden ist ein Treffpunkt für Hobby-Astronomen und sicherlich auch für alle gut organisierten Voyeure, die über die entsprechenden Mittel verfügen. Auf diesen Gedanken kam ich, als er mir ein Infrarotgerät zeigte, das man auf die Brille schrauben kann, damit man nachts sieht, gegebenenfalls kann man Digitalfotos machen. Das ist perfekt. Ich bin in meinem Zimmer nun sehr gut ausgerüstet.
    Die Concierge ist enttäuscht, weil ich ihr keinen Zweitschlüssel gebe, wie es wohl die anderen Mieter machen, aber ich will auf keinen Fall, dass sie in meinem Hauptquartier herumschnüffelt. Außerdem mache ich mir da nichts vor – sie hat wahrscheinlich sowieso einen Schlüssel. Also habe ich ein ausgeklügeltes System angebracht, das verhindert, dass man die Tür zu weit öffnet, und habe dafür gesorgt, dassman durch den Türspalt im Zimmer nichts sehen kann. Gut gemacht. Sie wird nur schwerlich ein Argument finden, um mir diese für sie sicherlich ganz neue Schwierigkeit auseinanderzusetzen.
    Ich habe eine große weiße Tafel mit Filzstiften und eine Korktafel an die Wand gehängt, außerdem habe ich einen kleinen Tisch hingestellt. Ich habe alles, was ich bereits hatte, hierhergeschafft. Ich habe einen neuen Rechner gekauft – einen Laptop – und einen kleinen Farbdrucker. Das Problem ist nur, dass ich, zumindest am Anfang, nicht so oft hierherkommen kann, wie ich gern wollte, um keinen Verdacht zu erregen und das kleine Szenario Lügen zu strafen, das ich aufgeführt hatte, um das Zimmer zu kriegen. In einiger Zeit könnte ich vorgeben, dass sich bei meiner Arbeit Veränderungen ergeben hätten, und somit rechtfertigen, dass ich häufiger kam.
    16. August
    Seit meinem Zusammentreffen mit Sophie habe ich keine Angstzustände mehr. Nur von Zeit zu Zeit schlafe ich noch mit einer gewissen Starre ein. Zuvor war das ein Anzeichen für nächtliche Panikattacken, von denen ich fast immer schweißgebadet aufgewacht bin. Das ist ein gutes Zeichen. Ich denke, Sophie wird mir helfen, gesund zu werden. Paradoxerweise ist Mama umso präsenter, je ruhiger ich mich fühle. Letzte Nacht habe ich ihr Kleid aufs Bett gelegt und es angesehen. Es ist mittlerweile ein wenig abgenutzt, der Stoff ist nicht mehr so zart wie früher, und trotz der Reinigungsieht man mit ein bisschen Abstand deutlich die dunklen Flecken. Es hat viel Blut gegeben. Diese Flecke haben mich lange Zeit geärgert. Ich hätte mir gewünscht, das Kleid wird wieder so blütenweiß, wie es an ihrem Hochzeitstag gewesen sein musste. Aber im Grunde bin ich nicht unglücklich darüber, dass die Flecke noch da sind, wenn auch kaum sichtbar, denn sie sind eine Ermutigung. Darin liegt mein ganzes Leben. Sie stehen für meine Existenz, sie verkörpern meinen Willen.
    Ich bin auf dem Kleid eingeschlafen.
    I7. August
    Sophie und Vincent sind letzte Nacht zurückgekommen. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich hätte sie wirklich gern empfangen. Als ich heute Morgen aufgewacht bin, standen die Fenster ihrer Wohnung bereits weit offen.
    Das ist nicht schlimm, für ihre Rückkehr war alles sehr schön vorbereitet.
    Morgen geht Vincent sehr früh auf Dienstreise, Sophie bringt ihn zum Flughafen. Ich werde nicht aufstehen, um sie wegfahren zu sehen. Mir hat es genügt, die Information zu registrieren, die ich in Sophies Mail fand.
    23. August
    Zurzeit ist es schrecklich heiß, manchmal kann ich nur T-Shirt und Shorts tragen. Da ich das Fenster nicht öffnen will, wenn ich observiere, herrscht in meinem Zimmer schnell eine unerträgliche Hitze. Ich habe einen Ventilator aufgestellt, aber der Lärm nervt mich. Also schwitze ich eben auf meinem Beobachtungsposten.
    Ich werde von den Früchten meiner Bespitzelung reich belohnt. Die beiden haben keine Angst, gesehen zu werden. Sie wohnen ganz oben, und das Haus

Weitere Kostenlose Bücher