Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11
ja geradezu darum. So bekommen sie jedenfalls bis Neujahr jeden Tag was Warmes zu essen. Und dann lassen wir sie wieder raus.«
Sie ließ den Kopf gegen die Nackenstütze sinken. »Mein Gott, Weihnachten.«
»Beunruhigt Sie der Gedanke?«
»Meine Eltern wollen immer, dass ich sie Weihnachten besuche.«
»Sagen Sie doch einfach, dass Sie arbeiten.«
»Das wäre unehrlich. Und was machen Sie?«
»Weihnachten meinen Sie?« Er dachte kurz nach. »Wenn sie für mich auf dem Revier Verwendung haben, schieb ich wahrscheinlich Dienst. Immer ziemlich lustig dort am Heiligen Abend.«
Sie sah ihn an, sagte aber nichts. Erst etliche Sekunden später wies sie ihn darauf hin, dass er links abbiegen musste. Vor dem Haus, in dem sie wohnte, war weit und breit kein Parkplatz. Rebus brachte den Wagen neben einem glänzenden Geländewagen zum Stehen.
»Ist das etwa Ihrer?«
»Schön wär's.«
Er betrachtete die Fassaden ringsum. »Hübsche Straße.«
»Möchten Sie noch einen Kaffee?«
Ihm fiel wieder ein, wie sie vorhin zusammengezuckt war: Sagte das nun etwas darüber aus, wie sie von ihm dachte, oder über ihre eigenen Gefühle? »Warum nicht?«, sagte er schließlich.
»Ein Stück weiter hinten war noch ein freier Parkplatz.«
Rebus setzte rund fünfzig Meter zurück und parkte den Wagen am Bordstein. Siobhans Wohnung lag im zweiten Stock. Keine Unordnung, alles war an seinem Platz. Eigentlich hatte er nichts anderes erwartet und freute sich, dass er Recht behalten hatte. Gerahmte Drucke an den Wänden, Einladungen zu Ausstellungseröffnungen. Ein Regal mit CDs und eine nette Stereoanlage. In einem zweiten Regal standen ordentlich sortiert zahlreiche Videos: vorwiegend Komödien, Steve Martin, Billy Crystal. Bücher: Kerouac, Kesey, Camus. Etliche juristische Texte. Außerdem gab es ein grünes zweisitziges Sofa samt einigen farblich nicht darauf abgestimmten Stühlen. Durch das Fenster sah er auf der anderen Seite ein identisches Mietshaus mit zugezogenen Vorhängen und dunklen Fenstern. Er überlegte, ob Siobhan ihre Vorhänge absichtlich offen ließ.
Sie war sofort in die Küche gegangen, um Wasser aufzusetzen. Nachdem er das Wohnzimmer begutachtet hatte, machte er sich auf die Suche nach ihr. Die Türen der beiden anderen Zimmer standen offen. Schon im Gang hörte er das Klappern des Geschirrs und der Teelöffel. Sie machte gerade den Kühlschrank auf, als er hereinkam.
»Wir müssen noch mal über Sithing reden«, sagte Rebus. »Wie wir uns ihm gegenüber am geschicktesten verhalten.« Siobhan schimpfte. »Was ist denn los?«
»Keine Milch«, sagte sie. »Ich dachte, ich hätte noch 'ne Packung H-Milch im Schrank.«
»Ich trink ihn ohnehin schwarz.«
Sie drehte sich wieder Richtung Arbeitsplatte. »Na gut.« Sie öffnete eine Vorratsdose und spähte hinein. »Nur Kaffee hab ich leider auch keinen mehr.«
Rebus lachte. »Ständig Besuch, was?«
»Ich bin einfach diese Woche noch nicht zum Einkaufen gekommen.«
»Kein Problem. Drüben in der Broughton Street gibt es einen kleinen Laden. Eigentlich müsste man dort Milch und Kaffee bekommen.« Sie suchte ihre Handtasche.
»Das mach ich schon«, sagte er und ging zur Eingangstür hinüber.
Als er weg war, lehnte Siobhan den Kopf gegen die Schranktür. Den Kaffee hatte sie ganz hinten versteckt. Sie brauchte einfach ein, zwei Minuten für sich. Sie hatte ohnehin selten Besuch, und John Rebus war zum ersten Mal hier. Ein oder zwei Minuten nur für sich – mehr wollte sie gar nicht. Als er im Auto die Hand in ihre Richtung ausgestreckt hatte… ja, was hatte er da wohl über ihre Reaktion gedacht? Im ersten Augenblick hatte sie an einen Annäherungsversuch gedacht. Aber so etwas hatte er doch noch nie getan, warum also war sie so zusammengefahren? Die meisten Männer, mit denen sie zusammenarbeitete, machten hier und da eine Anspielung, einen anzüglichen Witz – und warteten dann ab, wie sie reagierte. Aber John Rebus noch nie. Sie wusste, dass er seine Schwächen, ja, dass er Probleme hatte, trotzdem war er in ihrem Leben so etwas wie ein ruhender Pol. Ihm konnte sie vertrauen, das wusste sie ganz genau – egal, was auch passieren mochte.
Und sie wollte ihn auf keinen Fall verlieren.
Sie schaltete das Licht in der Küche aus, ging ins Wohnzimmer und starrte durch das Fenster in die Nacht hinaus. Dann fing sie an, irgendwelche Sachen wegzuräumen.
Rebus knöpfte die Jacke zu und war froh, wieder im Freien zu sein. Siobhan war über seine Anwesenheit
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