Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11
sich außerdem auch für Queensberry House interessiert.«
»Wollen Sie vielleicht damit sagen, dass alle drei Fälle zusammenhängen?«
»Ich sage nur, dass…«
»… es zwischen den drei Fällen möglicherweise eine Verbindung gibt, ich weiß. Die alte Theorie von den sechs Graden der Trennung.«
»Welche Theorie?«
Sie sah ihn an. »Okay, vielleicht war das ja schon nach Ihrer Zeit. Diese Theorie besagt, dass es zwischen zwei x-beliebigen Menschen auf diesem Planeten eine Verbindung gibt, und dass genau sechs andere Leute als Vermittler notwendig sind.« Sie hielt inne. »Übrigens glaube ich, dass das wahr ist.«
Gerade traf ihr zweites Glas Wein ein, und sie leerte noch rasch das erste.
»Jedenfalls könnte es sich lohnen, noch mal mit Sithing zu sprechen.«
Sie verzog die Nase. »Ich konnte den Kerl nicht ausstehen.«
»Ich kann gerne dabei sein, wenn Sie möchten.«
»Wollen Sie mir vielleicht meinen Fall wegnehmen?« Sie lächelte zwar, als ob sie nur einen Scherz gemacht hätte. Aber tief in ihrem Innern war sie sich nicht ganz so sicher.
Nach dem Essen fragte Rebus Siobhan, ob sie Lust hätte, im Swany's noch einen Absacker zu trinken, doch sie schüttelte den Kopf.
»Ich möchte Sie nicht in Versuchung führen«, sagte sie.
»Gut, dann fahr ich Sie eben nach Hause.« Als sie zu seinem Saab hinübergingen, entbot Rebus den strahlenden Lichtern des Pubs seinen Abschiedsgruß. Der Wind klatschte ihnen den Schneeregen ins Gesicht. Sie stiegen in den Wagen, und er startete die Zündung und vergewisserte sich, dass die Heizung hoch gestellt war.
»Ist Ihnen eigentlich das merkwürdige Wetter heute aufgefallen?«, fragte Siobhan.
»Wieso?«
»Na ja, es war kalt und regnerisch und windig und sonnig – und alles gleichzeitig: sämtliche Jahreszeiten an einem Tag.«
»Tja, so ist das nun mal in Edinburgh. Hier ist immer was geboten. Augenblick mal.« Seine linke Hand bewegte sich Richtung Handschuhfach. Siobhan zuckte unwillkürlich zusammen, weil sie glaubte, dass er sie berühren wollte. Er lächelte nur kurz und kramte die Kassette hervor, nach der er gesucht hatte.
»Eine kleine Extra-Vorstellung nur für Sie«, sagte er und versenkte die Kassette in der Konsole. Ja, sie war zusammengeschreckt. Offenbar hatte sie die Bewegung seiner Hand für einen Annäherungsversuch gehalten. Jesus. Sie war ja kaum älter als Sammy.
»Und – was ist das?«, fragte sie. Falls er sich nicht täuschte, war sie errötet. Schwer zu sagen in dem düsteren Auto. Er gab ihr die Hülle. » Crime of the Century «, las sie laut vor.
»Die beste Supertramp-Scheibe überhaupt«, erklärte er.
»Sie mögen diese alte Musik, nicht wahr?«
»Und die Blue-Nile-Kassette, die Sie für mich überspielt haben. Kann sein, dass ich in vielen Dingen ein Dinosaurier bin, aber für Rockmusik hab ich immer noch ein offenes Ohr.«
Sie fuhren Richtung Neustadt. Edinburgh war in der Tat eine geteilte Stadt, dachte Rebus. Geteilt zwischen der Altstadt im Süden und der Neustadt im Norden. Und dann abermals geteilt zwischen dem Osten (Hibs FC) und dem Westen (Hearts). Eine Stadt, die nicht weniger durch ihre Vergangenheit als durch ihre Gegenwart geprägt war und die erst jetzt – in Erwartung des neuen Parlaments – in die Zukunft blickte.
» Crime of the Century «, wiederholte Siobhan. »An welches Verbrechen haben Sie dabei gedacht – an Ihren toten Parlamentskandidaten oder an meinen mysteriösen Selbstmord?«
»Vergessen Sie nicht die Leiche in dem Kamin. Wo wohnen Sie noch mal?«
»Gleich in der Nähe der Broughton Street.«
Sie fuhren gemächlich dahin und betrachteten die Gebäude rechts und links und die Fußgänger auf der Straße. An jeder roten Ampel checkten sie kurz die Insassen der Nachbarautos. Reine Instinkthandlung: immer auf dem Quivive. Das Leben eines Polizisten bestand nun einmal hauptsächlich darin, sich mit dem Leben anderer Leute zu beschäftigen. In der Stadt war alles ruhig. Noch zu früh für Betrunkene – und das Wetter so ungemütlich, dass ohnehin kaum Leute unterwegs waren.
»Um diese Jahreszeit können einem die Obdachlosen echt Leid tun«, sagte Siobhan.
»Sie müssten mal an Weihnachten einen Blick in die Zellen werfen. Die Polizei gabelt so viele von denen auf wie nur möglich.«
Sie sah ihn an. »Das ist mir völlig neu.«
»Offenbar haben Sie Weihnachten noch nie gearbeitet.«
»Dann nehmen die Kollegen die Leute also fest?«
Rebus schüttelte den Kopf. »Diese Leute betteln
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