Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11
nickte. »Ja, nach Howdenhall – schon heute früh.«
»Die Kleidung eines jungen Menschen«, fügte Curt noch hinzu.
»Oder ein alter Knacker, der auf jung gemacht hat«, sagte der Fotograf.
»Das Haar jedenfalls ist noch nicht ergraut, auch wenn das natürlich nicht allzu viel besagt.« Gates machte dem Fotografen durch einen Blick klar, dass seine Theorien unerwünscht waren. »Ein genaueres Todesdatum dürfte erst der Laborbefund erbringen.«
»Und wie ist er gestorben?«, fragte Linford. Normalerweise hätte Gates solche Ungeduld bestraft, in diesem Fall jedoch begnügte er sich damit, den jungen Inspektor zu ignorieren.
»Schädelfraktur.« Curt wies mit einem Schreiber auf den Bereich. »Könnte natürlich auch erst post mortem passiert sein. Schwer zu sagen, ob es sich dabei um die eigentliche Todesursache handelt.« Er sah Rebus an. »Vieles hängt von den Ergebnissen der Spurensicherung ab.«
Der Mann von der Spurensicherung kritzelte etwas auf einen dicken Notizblock. »Wir sind an der Sache dran.«
Rebus wusste genau, wonach die Kollegen gesucht hatten. Zuerst nach der Mordwaffe und dann natürlich nach Blutspuren. Blut ließ sich nämlich so leicht nicht entfernen.
»Und wie ist er in den Kamin hineingekommen?«, fragte er.
»Nicht unser Problem«, sagte Gates und lächelte Curt an.
»Also besteht Mordverdacht?«, fragte der Mann von der Staatsanwaltschaft, dessen dröhnender Bass-Bariton so gar nicht zu seiner bescheidenen Größe und seinem eher zarten Körperbau passen wollte.
»Würde ich bejahen – und du?« Gates richtete sich auf und warf ein Besteck in ein Metallschälchen. Erst ein paar Sekunden später begriff Rebus, dass der Pathologe etwas in seiner behandschuhten Hand hielt. Etwas Schrumpeliges – etwa so groß wie ein dicker Pfirsich.
»Verdammt zähes Organ – das Herz«, sagte Gates und sah sich das Gebilde an.
»Sie waren ja am Anfang nicht dabei«, sagte Curt zu Rebus. »Eine Wunde in der Haut über den Rippen. Könnten theoretisch natürlich auch Ratten gewesen sein…«
»Was?«, sagte Gates. »Seit wann gibt es denn Ratten, die mit einem Messer in der Gegend rumlaufen?« Er hielt seinem Kollegen das Organ unter die Nase.» Ganz eindeutig ein Einstich. Sieht ein bisschen aus wie ein Küchenmesser.«
»Also Mordverdacht«, murmelte der Mann von der Staatsanwaltschaft und machte sich eine entsprechende Notiz.
»Wieso haben Sie mir nicht Bescheid gesagt?«, fauchte Rebus. Er stand auf dem Parkplatz des Krankenhauses und hatte nicht die Absicht, Derek Linford einfach so in die Zentrale zurückfahren zu lassen.
»John, allmählich kenne ich Sie. Sie sind einfach kein Mannschaftsspieler.«
»Ach so, dann ist das also Ihr Begriff von Mannschaftsspiel? Mir einfach wichtige Informationen vorzuenthalten?«
»Also gut, vielleicht haben Sie ja Recht. Ich finde Ihre heftige Reaktion nur etwas übertrieben.«
»Aber ich gehe doch recht in der Annahme, dass die St. Leo-nard's Street für die Ermittlungen zuständig ist?«
Linford hatte inzwischen die Fahrertür seines blitzenden neuen BMW geöffnet. Zwar nur ein kleines Modell, aber trotzdem nicht schlecht für einen so jungen Kerl. »Wieso?«
»Die Leiche wurde doch bei einem unserer PPVK-Treffen gefunden.«
»Ja und?«
»Ach, hören Sie doch auf. Wer ist denn sonst dafür zuständig? Glauben Sie vielleicht, das Parlament bezieht ein Gebäude, in dem ein ungeklärter Mord passiert ist?«
»Die Geschichte ist doch schon mehr als zwanzig Jahre her: Ich glaube nicht, dass sich unsere künftigen Abgeordneten deswegen sonderlich beunruhigen werden.«
»Vielleicht nicht, aber die Presse lässt ganz sicher nicht so schnell locker. Bei jeder Gelegenheit werden die Schmierer darauf herumreiten: Geheimnisvoller Mord im Holyrood-Pa-last – ein Parlament watet im Blut.«
Linford schnaubte verächtlich, überlegte kurz und lächelte schließlich. »Sind Sie immer so?«
»Ich finde, Skelly gehört uns.«
Linford verschränkte die Arme. Rebus wusste, was der Mann dachte. Der Fall hatte – wie indirekt auch immer – mit dem zukünftigen Parlament zu tun. Deshalb war abzusehen, dass die oberste Polizeiführung die Sache an sich ziehen würde. »Und wie gehen wir vor?«
Rebus legte eine Hand vorne auf den BMW, sah Linfords Blick und zog sie wieder zurück. »Wie ist die Leiche nur dorthin gekommen? Vor zwanzig Jahren war in dem Gebäude doch ein Krankenhaus. Schwer vorstellbar, dass man damals einfach so in das Haus
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