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Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11

Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11

Titel: Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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Bahnsteigs, wo die Leiche lag, war inzwischen abgesperrt. Ein Arzt hatte den Tod des Mannes bestätigt, und draußen stand schon ein Wagen bereit, um die sterblichen Überreste wegzubringen. Einige Bahnarbeiter standen mit einem Schlauch bereit, um die Blutspuren vom Bahnsteig zu spritzen.
    Der Nachtzug war inzwischen abgefahren, und das Personal traf die nötigen Vorkehrungen, um den Bahnhof für die Nacht zu schließen. Auch Taxis waren keine mehr da. Siobhan ging zu den Schließfächern hinüber. Ein Polizist war dort damit beschäftigt, die Jenners-Tüte auf einem Tisch zu entleeren. Er fasste jedes einzelne Stück mit spitzen Fingern an. Offenbar hatte er Angst, sich anzustecken.
    »Was Besonderes dabei?«, fragte Siobhan.
    »Nur, was Sie hier sehen.«
    Der Tote hatte keine Ausweispapiere bei sich getragen. In seinen Taschen hatte man nur ein Taschentuch und ein paar Münzen gefunden. Siobhan inspizierte die Dinge, die auf dem Tisch lagen. In einem Plastikbeutel befanden sich die notwendigsten Waschutensilien. Außerdem lagen auf dem Tisch noch ein paar Kleidungsstücke und ein altes Reader's-Digest-Heft. Dann noch ein kleines Transistorradio, dessen Rückseite mit Klebeband befestigt war, und schließlich die neueste Ausgabe der Abendzeitung …
    Inspektor Rebus' Abteilung. Was hatte die Frau damit nur gemeint? Vielleicht, dass sie – Siobhan – inzwischen schon genauso verschroben geworden war wie Rebus: einsam und verlassen? Gab es vielleicht nur die zwei Typen von Polizisten: John Rebus und Derek Linford? Und musste sie sich zwischen diesen beiden Alternativen entscheiden?
    Der Polizist, der mit der Tüte beschäftigt war, brachte noch weitere Dinge zum Vorschein: ein in Papier eingewickeltes Sandwich, eine halb mit Wasser gefüllte Limonadeflasche, noch mehr Kleidungsstücke. Inzwischen war die Tüte fast leer. Die restlichen Sachen kippte der Mann einfach auf den Tisch. Was jetzt zum Vorschein kam, sah aus wie irgendwelche Souvenirs, die der Tote auf seinen Reisen eingesammelt hatte: ein paar Kieselsteine, ein billiger Ring, Schuhbänder und Knöpfe. Außerdem eine kleine Schachtel, in der – dem verblassten Foto nach zu urteilen – früher einmal das Radio verpackt gewesen war. Siobhan nahm sie in die Hand und öffnete den Klappverschluss. Sie fand in der Verpackung ein kleines Büchlein, das sie zunächst für einen Reisepass hielt.
    »Ein Sparbuch«, sagte ihr Kollege. »Von einer Bausparkasse.«
    »Dann müsste ja ein Name drin stehen«, sagte Siobhan.
    Der Mann öffnete das Heft. »Mr. C. Mackie. Hat einen Wohnsitz am Grassmarket.«
    »Und wie ist Mr. Mackies Kontostand?«
    Der Polizist blätterte in dem Buch und hielt es ins Licht, als ob er die Einträge nicht richtig lesen könnte.
    »Ganz beachtlich«, sagte er schließlich. »Ein Guthaben von mehr als vierhundert Riesen.«
    »Vierhunderttausend? Nicht schlecht für einen Mann in seinen Umständen.«
    Er gab ihr das Buch. Tatsächlich. Der Mann hatte keinen Witz gemacht. Der arme Kerl, dessen sterbliche Überreste Bahnangestellte gerade vom Bahnsteig 11 gekratzt und gespritzt hatten, nannte stolze vierhunderttausend Pfund sein Eigen.

9
    Dienstags erschien Rebus wieder in der St. Leonard's Street. Hauptkommissar Watson hatte ihn einbestellt. Als er das Zimmer betrat, saß Derek Linford bereits in einem Sessel und hielt in einer Hand eine noch unberührte Tasse mit öligem Kaffee.
    »Bitte, bedienen Sie sich«, sagte Watson.
    Rebus zeigte auf den Becher, den er bereits in der Hand hielt. »Hab schon Kaffee, Sir.« Wann immer er das Zimmer seines Chefs betrat, brachte er eine halbe Tasse Kaffee mit. Das war Rebus' Methode, Watsons Kaffee-Angebot gar nicht erst ausschlagen zu müssen.
    Als sie schließlich alle drei saßen, kam der Hauptkommissar sofort zur Sache.
    » Alle sind an diesem Fall interessiert: die Presse, die Öffentlichkeit und die Regierung…«
    »In dieser Reihenfolge, Sir?«, fragte Rebus.
    Watson ignorierte ihn. »… und das bedeutet, dass ich Ihnen bei den Ermittlungen genauer als sonst auf die Finger sehen werde.« Er sah Linford an. »John verhält sich manchmal wie ein Elefant im Porzellanladen. Ich vertraue darauf, dass Sie ihn irgendwie in Schach halten.«
    Linford lächelte. »Solange der Elefant selbst damit einverstanden ist.« Er sah Rebus an, der schwieg.
    »Den Medienleuten steht schon der Schaum vor dem Mund. Das Parlament, die Wahlen… alles nur langweiliges Zeug. Doch jetzt haben sie endlich eine Story.«

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