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Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11

Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11

Titel: Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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einem »Schottland sagt Nein«-Anstecker nach Hause. Sie saßen am Küchentisch und aßen. Rhona sah müde aus: Tagsüber ging sie zur Arbeit und kümmerte sich um das Kind, und abends musste sie dann noch Wahlkampf machen. Sie erwähnte seinen Anstecker mit keinem Wort, nicht einmal, als er ihn extra von seiner Jacke abnahm und an seinem Hemd befestigte. Sie sah ihn nur mit leeren Augen an und sagte den ganzen Abend kein Wort. Als sie schließlich ins Bett gingen, kehrte sie ihm den Rücken zu.
    »Und ich hab gedacht, dass ich dir nicht politisch genug bin«, versuchte er zu scherzen. Doch sie schwieg. »Echt«, sagte er. »Ich hab mir die Sache gründlich durch den Kopf gehen lassen, wie du es von mir verlangt hast. Dabei bin ich zu dem Entschluss gelangt, mit Nein zu stimmen.«
    »Tu, was du nicht lassen kannst«, sagte sie nur kalt.
    »Also gut«, hatte er entgegnet und ihre zusammengekrümmte Gestalt betrachtet.
    Doch am 1. März, dem Tag der Abstimmung, hatte er dann nicht mit Nein gestimmt – nein, er hatte etwas noch viel Schlimmeres getan. Er war der Abstimmung einfach ferngeblieben. Natürlich konnte er sich mit der Arbeit herausreden oder mit dem Wetter oder mit irgendwelchen anderen Begründungen. Doch in Wahrheit verzichtete er auf sein Wahlrecht, um Rhona zu verletzen. Er war sich dessen genau bewusst, als er im Büro immer wieder auf die Uhr sah und der Zeiger dem Ende der Abstimmung immer näher rückte. Kurz vor Schließung der Wahllokale wäre er beinahe noch zu seinem Wagen gerannt, doch dann redete er sich ein, dass es schon zu spät sei. Ja, es war tatsächlich zu spät gewesen.
    Auf dem Heimweg fühlte er sich miserabel. Sie war nicht da, als er nach Hause kam. Wahrscheinlich war sie unterwegs, um irgendwo Wahlscheine auszuzählen. Vielleicht hockte sie aber auch mit Gleichgesinnten im Hinterzimmer irgendeiner Kneipe und wartete auf das Ergebnis.
    Irgendwann war dann auch die Babysitterin gegangen. Er warf noch einen Blick in Sammys Zimmer, die fest schlief und mit einem Arm ihren Lieblingsteddybär Pa Broon umklammert hielt. Rhona kam erst spät nach Hause. Sie war leicht angetrunken und er vielleicht noch mehr: vier Flaschen Tartan Special vor dem Fernseher. Er hatte den Ton leise gestellt und hörte Musik. Als sie hereinkam, wollte er zunächst sagen, dass er mit Nein gestimmt hatte, doch er wusste genau, dass sie ihm ohnehin nicht glauben würde. Deshalb erkundigte er sich einfach nach ihrem Befinden.
    »Völlig fertig«, sagte sie und blieb in der Tür stehen. Offenbar fiel es ihr schwer, den Raum zu betreten. »Aber schon wieder etwas besser«, sagte sie und ging noch mal zurück in die Diele.
    März 1979. Das Referendum enthielt eine Klausel. Mindestens vierzig Prozent der Wahlberechtigten mussten mit Ja stimmen, andernfalls war das Autonomiestatut ungültig. Außerdem ging das Gerücht, dass die Labour-Regierung in London absichtlich Hindernisse aufgerichtet hatte, um einen positiven Ausgang der Abstimmung zu verhindern. Offenbar hatte man in Westminster Angst, die schottischen Abgeordneten und damit langfristig die Mehrheit im Parlament an die Konservativen zu verlieren. Vierzig Prozent der Wahlberechtigten mussten also mit Ja stimmen.
    Dieses Ziel wurde weit verfehlt. Dreiunddreißig Prozent stimmten mit Ja, einunddreißig mit Nein – und das bei einer Wahlbeteiligung von knapp vierundsechzig Prozent. Das Ergebnis war eine »geteilte Nation«, wie eine Zeitung es ausdrückte, und die SNP entzog der Callaghan-Regierung ihre Unterstützung. Der Premier ließ sich sogar zu der Bemerkung hinreißen, die Aktivisten der Partei hätten sich wie Truthähne verhalten, die für Weihnachten stimmen. Bald darauf wurden Neuwahlen angesetzt, und die Konservativen unter Führung Margaret Thatchers kamen an die Regierung.
    »Das alles haben wir deiner SNP zu verdanken«, sagte Rebus zu Rhona. »Und die Selbstverwaltung kannst du dir jetzt an den Hut stecken.«
    Sie zuckte bloß mit den Achseln und hatte keine Lust mehr zu streiten. Die Zeit der Kissenschlachten auf dem Wohnzimmerboden lag inzwischen lange zurück. Er verschanzte sich immer mehr hinter seiner Arbeit und kümmerte sich fortan hauptsächlich um das Leben anderer Leute, um ihre Probleme und ihre Nöte.
    Und war seither nie mehr wählen gegangen.
    Nachdem er sich von Josephine Banks verabschiedet hatte, begab sich Rebus in das Lagezentrum. Detective »Hi-Ho« Silvers redete pausenlos in sein Telefon. Ein paar Detectives, die aus anderen

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