Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11
Dieb.« Sie stieß Clarke mit dem Ellbogen an. »Na, leg ihm schon die Handschellen an, Mädchen.«
ADC, überlegte Clarke, ist Mackie in Wahrheit ADC?
Oder verfolgte sie nur abermals eine sinnlose Spur?
Wieder in der St. Leonard's Street, hätte sie sich dafür ohrfeigen können, dass sie nicht früher überprüft hatte, ob Mackie schon mal aktenkundig geworden war. August 1997: Christopher Mackie und »eine Miss Desiderata« (die sich weigerte, ihren vollen Namen zu nennen) wurden auf den Stufen einer Gemeindekirche in Bruntsfield aufgegriffen, als sie dort »Unzucht« trieben.
August: Festivalzeit. Clarke war überrascht, dass man die beiden nicht für eine experimentelle Theatergruppe gehalten hatte.
Der Beamte, der die beiden damals festgenommen hatte, ein gewisser Rod Harken, konnte sich noch gut an den Vorfall erinnern.
»Sie hat einen Bußgeldbescheid bekommen«, erklärte er Clarke am Telefon. »Und ein paar Tage Knast, weil sie uns ihren Namen nicht sagen wollte.«
»Und was war mit ihrem Partner?«
»Ich glaube, der ist mit einer Verwarnung davongekommen.«
»Wieso?«
»Weil der arme Kerl beinahe ohnmächtig war.«
»Ich verstehe nicht ganz.«
»Gut, dann erklär ich's Ihnen. Sie hatte ihre Unterhose ausgezogen und saß mit hochgezogenem Rock rittlings auf ihm und hat versucht, ihm die Hose herunterzuziehen. Der Mann war so weggetreten, dass wir ihn regelrecht rütteln mussten, damit er wieder zu sich kam.« Harken kicherte.
»Haben Sie ein Foto von den beiden gemacht?«
»Sie meinen, vor der Kirche auf den Stufen?« Harken kicherte immer noch. Clarke fand es an der Zeit, einen etwas eisigeren Ton anzuschlagen.
»Nein, ich meine nicht auf den Stufen. Ich meine auf dem Revier in Torphichen.«
»Ach so. Ja, wir haben ein paar Aufnahmen gemacht.«
»Und – existieren die noch?«
»Kommt darauf an.«
»Na gut. Könnten Sie vielleicht mal nachsehen?« Clarke machte eine kurze Pause. »Bitte.«
»Schon gut«, sagte der Mann mürrisch.
»Danke.«
Sie beendete das Gespräch. Eine Stunde später brachte ein Streifenwagen die Fotos vorbei. Die Aufnahmen von Mackie waren besser als die aus dem Asyl. Sie blickte in seine zu Boden gerichteten Augen. Auch auf diesem Foto hatte er dichtes dunkles Haar, das zurückgekämmt war. Sein Gesicht war entweder sonnengebräunt oder wettergegerbt, das vermochte sie nicht zu entscheiden. Er hatte einen Ein-oder Zweitagebart, war aber auch nicht ungepflegter als so mancher sommerliche Rucksacktourist. In seinem Blick lag eine merkwürdige Schwere. Offenbar konnte kein Schlaf der Welt diesen Menschen vergessen lassen, was seine Augen gesehen hatten. Über die Fotos von Dezzi musste Clarke lächeln: Die Gute grinste über das ganze Gesicht und scherte sich einen Dreck um die Prozedur.
In einem Umschlag hatte Harken ein kurzes Schreiben beigelegt: Wir haben Mackie nach dem Vorfall befragt, und er hat gesagt, dass er keine »Sexbestie« sei. Dann ist irgendetwas bei der Transkription verloren gegangen. Jedenfalls haben wir ihn erst einmal festgehalten und überprüft, ob er sich schon mal eine Sexualstraftat hat zuschulden kommen lassen. Wir haben aber nichts gefund en.
Wieder läutete das Telefon. Die Zentrale. Man teilte ihr mit, dass unten jemand auf sie wartete.
Ihr Besucher war ein rotgesichtiger kleiner runder Mann. Er trug einen dreiteiligen Anzug und betupfte sich unentwegt die Stirn mit einem Taschentuch von der Größe eines mittleren Tischtuchs. Der Mann hatte eine Glatze. Nur an den Seiten seines Kopfes wuchs reichlich Haar, das er oberhalb der Ohren zurückgekämmt hatte. Er stellte sich als Gerald Sithing vor.
»Ich habe die Geschichte über Chris Mackie heute Morgen in der Zeitung gelesen. Hat mich tief getroffen«, sagte er mit bebender Stimme. Seine kleinen Augen ruhten auf ihr.
Clarke verschränkte die Arme. »Dann haben Sie ihn also gekannt, Sir?«
»Oh ja. Schon seit Jahren.«
»Könnten Sie ihn mir dann mal bitte kurz beschreiben?«
Sithing sah sie erstaunt an und klatschte dann in die Hände. »Ach natürlich. Sie halten mich für einen Schwindler.« Er lachte scheppernd. »Der sich das Geld unter den Nagel reißen will.«
»Und – haben Sie es vielleicht nicht auf sein Geld abgesehen?«
Als er sich wieder gefasst hatte, gab er eine zutreffende Beschreibung von Mackie. Clarke kratzte sich an der Nase. »Bitte, gehen wir hier herein, Mr. Sithing.«
Direkt neben der Rezeption gab es ein Besprechungszimmer. Sie schloss die Tür auf
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