Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
sich auf der einen oder anderen Seite als strategisch einsetzbar erwiesen. Für die Gesamtheit der vom Verlauf des Hauptkonflikts abhängigen Blockfreienbewegung, in der die meisten Empfängerländer versammelt waren, hatte dieses Geberverhalten zum Teil weitere dramatische Folgen. Es korrumpierte ihre gemeinsamen Interessen und schädigte auf Dauer ihre politische Schlagkraft. Für eine Minderheit, die sich als ölproduzierende Mitglieder der Blockfreienbewegung unter anderem in der OPEC zusammengeschlossen hatten, hatten die strategischen Interessen der Supermächte dagegen fast nur Vorteile. Sie konnten innerhalb dieses erfolgreichen Subsystems des Kalten Krieges sogar zeitweilig aktiv im Hauptkonflikt eingreifen, wie vor allem die erste Ölkrise 1973 zeigte.
Das System der Entwicklungshilfe war eigentlich ein Produkt der versuchten Neuordnung der Welt am Ende des Zweiten Weltkrieges gewesen. Schon die Konferenz in Bretton Woods hatte sich
1944 mit der Entwicklungspolitik beschäftigt, obgleich am Ende des Krieges kaum nennenswerte Sensibilität für die Dritte Welt, die in großen Teilen noch Kolonialgebiet war, bestand. Für die wirtschaftliche Entwicklung dieser Staaten wurden langfristig der
1945 geschaffene Internationale Währungsfonds (IWF) und die mit ihm verbundene Weltbank sowie das 1947 verabschiedete Welthandelsabkommen GATT wichtig. Die Weltbank engagierte sich in den fünfziger und sechziger Jahren deutlich in der Entwicklungshilfe. Sie geriet aber ebenso wie der IWF und das Welthandelsabkommen unter den Bedingungen des Kalten Krieges dann fast automatisch in den Ruf, eine Einrichtung des Westens und seiner politischen Interessen zu sein. Weniger den Fronten des Kalten Krieges als vielmehr ausgeprägtem Konkurrenzdenken der Industrieländer fiel 1948 die von der Sowjetunion und den USA noch gemeinsam beschlossene Internationale Handelsorganisation der UNO zum Opfer. Die sogenannte ITO kam nicht mehr zum Abschluß, weil bereits damals eine zu starke Position einiger Entwicklungsländer befürchtet wurde. Zwanzig Jahre später bewahrheiteten sich manche dieser Ängste, als die Textilindustrie in einigen Entwicklungsländern zu einer echten Konkurrenz für die Industriestaaten heranwuchs, der ganze Produktionssparten zum Opfer fielen. Das wirkliche Ausmaß einer möglichen globalen Konkurrenz wurde aber erst nach 1991 sichtbar, als sich das von den politischen Restriktionen des Kalten Krieges weitgehend erlöste und marktwirtschaftlich zum Teil geöffnete China weltweit zu engagieren begann.
Wie die Welt unter den Bedingungen des Kalten Krieges ökonomisch organisiert war und welche Rolle die Entwicklungsländer darin einnahmen, definierte 1964 erstmalig offiziell die UNO. Dies hatte Gründe. Mit dem Mauerbau im geteilten Deutschland 1961 hatte sich der Schwerpunkt der Blockkonfrontation sichtbar auf die Dritte Welt verlagert. Im gleichen Jahr hatte in Belgrad die erste Konferenz der Blockfreienbewegung nachdrücklich ökonomisch-politische Verteilungsgerechtigkeit eingefordert. China hatte sich darüber hinaus durch die Distanzierung von Moskau als eigener Machtfaktor zu erkennen gegeben. Nicht zuletzt hatte der Prozeß der Dekolonisierung seit dem Beginn der sechziger Jahre deutlich an Fahrt gewonnen, aber auch erhebliche politische Probleme verursacht.
Die vor diesem Hintergrund 1964 durch die Generalversammlung der UNO aus der Taufe gehobene «Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung» (UNCTAD) sollte vor allem die wirtschaftliche Kooperation zwischen den Industrie- und Entwicklungsländern, aber auch innerhalb der Dritten Welt fördern. Langfristig wollte man eine gerechtere Welthandelsordnung aufbauen. Als Koordinierungsinstrument wurde dafür, neben einem ständigen Sekretariat und mehreren Kommissionen, ein sogenannter Handels- und Entwicklungsrat eingerichtet, der jeweils auch die aktuelle UNCTAD-Agenda festlegte. Jährlich wurde zudem ein Handels- und Entwicklungsbericht erstellt. Bis zum Ende des Kalten Krieges teilte auch die UNCTAD den Globus nach den politischen Kriterien ein: Neben einem marktwirtschaftlich und einem planwirtschaftlich organisierten Block sowie China definierte die UNO nun zwei Gruppen afro-asiatischer und lateinamerikanischer Staaten, die zum großen Teil in der Blockfreienbewegung organisiert waren. Auf den kontinuierlich veranstalteten UNCTAD-Konferenzen - die letzte während des Kalten Krieges fand 1987 wieder in Genf statt (UNCTAD VII) -
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