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Der kalte Kuss des Todes

Der kalte Kuss des Todes

Titel: Der kalte Kuss des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanowa
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der Mansurowa: »Der Bär schleppt die Frau fort! Schießt endlich! Noch mal, aber mit mehr Licht!«
    Im Haus und im Hof eilten Menschen umher. Autos fuhren vor. Der Krankenwagen war aus Rasdolsk gekommen, zusammen mit den Notärzten aus dem zentralen Klinikum. Dazwischen liefen Mitarbeiter der Miliz und aufgeregte Nachbarn aus den umliegenden Datschen herum. Kolossow versuchte herauszufinden, wer aus dieser bunt gemischten Menge zur Familie Basarow gehören könnte. Die Zeugenvernehmungen hatte er auf später verschoben und beschlossen, sich zuerst den Ort anzusehen, wo der Unfall passiert war.
    Alle bis auf den Notarzt wurden gebeten, das geräumige Badezimmer für einige Minuten zu verlassen. Die Leiche Wladimir Basarows lag in einer Blutlache auf dem gefliesten Fußboden, neben Wattetampons, zerbrochenen Ampullen und Spritzen. Ein tragbares Beatmungsgerät stand auf dem Boden neben seinem Kopf. Die Ärzte hatten offenbar alles versucht, jedoch vergeblich.
    Kolossow inspizierte das Bad in aller Ruhe. Es war erst kürzlich renoviert worden: Eurodesign, das mit der übrigen Einrichtung der Datscha nicht besonders harmonierte. Eine große gusseiserne Wanne, daneben ein Waschbecken, eingebaut in einen Spiegelschrank, ein Handtuchtrockner, ein weiterer kleiner Schrank. Kolossow öffnete ihn: Shampoos, Zahnbürsten, Seife, Toilettenpapier, ein Föhn. Er beugte sich nach vom, um die Tür in Augenschein zu nehmen. Von innen konnte sie nicht verschlossen werden. Ein Riegel fehlte; es gab nur einen drehbaren Türgriff. Die Wanne war zur Hälfte mit Wasser gefüllt, das längst kalt geworden war. Auf dem Boden der Wanne lag der Elektrorasierer: schwarzes Plastikgehäuse, Kabel und Stecker.
    »Wer hat den Rasierer ausgeschaltet und den Stecker aus der Steckdose gezogen? Sie?«, fragte Kolossow den Arzt.
    »Der Sohn des Toten. Der die Leiche gefunden hat.«
    Kolossow krempelte sich die Ärmel auf und holte das Elektrogerät vorsichtig aus dem Wasser. Marke »Philips«. Am Kabel, direkt am Gehäuse, war die Plastikumhüllung geplatzt, sodass die nackten Drähte zu sehen waren. Kolossow rief durch die Tür, die Männer vom Einsatzkommando sollten Zellophan bringen, um das Beweisstück zu verpacken. Dann machte er sich daran, die Hände des Toten zu untersuchen. Auf dem rechten Handteller Wladimir Basarows waren deutlich graugelbe Brandbläschen und eine purpurne Rötung zu sehen.
    »Schon Schwachstrom von fünfzig bis sechzig Volt ist lebensgefährlich, und hier haben wir die Standardspannung – zweihundertzwanzig Volt. Er hat offensichtlich das Kabel mit der nassen Hand an der Stelle angefasst, wo die Umhüllung beschädigt ist.« Der Arzt warf einen Seitenblick auf die Leiche. »Er war schon tot, als wir eintrafen. Der Sohn schrie: › Tut doch etwas! ‹ , aber es war zu spät.«
    »Ist er gefallen und in der Wanne ertrunken? Was meinen Sie?«, fragte Kolossow.
    »Nein, die Symptome sind die von Asphyxie, nicht die eines Todes durch Ertrinken. Durch die Einwirkung von Strom tritt der Tod sehr schnell ein: Die Schädigung des zentralen Nervensystems führt zur Lähmung des Atemzentrums. Ich denke, die Autopsie wird das bestätigen. Er stand vermutlich aufgerichtet in der Wanne, nahm den Rasierer aus dem Schrank und steckte den Stecker in die Dose.«
    »Die Steckdose ist gleich neben der Tür.« Kolossow bückte sich. »Hier ist ein Dreifachstecker. Der Handtuchtrockner ist ebenfalls angeschlossen.«
    »Als er den Rasierer einschaltete«, fuhr der Arzt fort, »bekam er den tödlichen Schlag. Er stürzte und schlug mit dem Hinterkopf auf den Wannenrand – vielleicht wird man bei der Autopsie ein Schädelhirntrauma finden. Und der Rasierer fiel ins Wasser. Das Ding hätte glatt explodieren können.«
    »Ich könnte mir noch eine andere Version der Ereignisse vorstellen.« Kolossow betrachtete eingehend die Wanne. »Basarow nimmt den Elektrorasierer, der noch nicht ans Stromnetz angeschlossen ist, in die Hand. Er sieht das beschädigte Kabel. In diesem Moment betritt jemand das Badezimmer und steckt den Stecker in die Steckdose. Sie ist ja direkt neben der Tür, man braucht nur die Hand auszustrecken. Das Ergebnis wäre vermutlich das gleiche, nicht wahr?«
    »Ja. Aber so etwas gibt es nur in drittklassigen Krimis«, knurrte der Arzt ungnädig. »Was soll der Blödsinn? Wer kommt denn auf solche Ideen?«
    »Ist es etwa kein Blödsinn, sich mitten in der Nacht in der Badewanne zu rasieren?«
    »Tja, was weiß ich. Die Autopsie

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