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Der kalte Kuss des Todes

Der kalte Kuss des Todes

Titel: Der kalte Kuss des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanowa
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unterdrückte ein Lächeln.
    »Wir haben eine Wohngemeinschaft, weiter nichts!«
    »Ich verstehe.« Kolossow horchte: Lärm, Getrampel und aufgeregte Stimmen waren zu vernehmen. Offenbar wurde die Leiche abtransportiert.
    »Geh nach unten, Iwan, nimm Abschied von deinem Vater«, sagte er und stand auf. »Der Tod macht einen Menschen nicht schöner, und ein so schrecklicher Tod erst recht nicht, aber geh trotzdem zu ihm, sieh ihn ein letztes Mal an. So ist es nur recht. Männlich und tapfer.«
    Er hielt dem Jungen die Hand hin.
    Iwan zögerte, dann fasste er zu, und Kolossow half ihm auf. Vor der Abfahrt von der Datscha – draußen war es schon Nacht, eine kühle, sternenklare, tintenschwarze Nacht, wie es sie nur zu Anfang des Sommers gibt – beriet Kolossow sich kurz mit Spizyn. Der Chef der Rasdolsker Miliz hegte ebenfalls große Zweifel, dass es sich um einen Unfall handelte. »Der Teufel soll sich hier auskennen, Nikita Michailowitsch«, flüsterte Spizyn. »Eine reiche Familie. Basarow selbst war ein Profi, ein alter Fuchs, Geschäftsführer von › Öl und Gas ‹ – das ist schließlich kein Tante-Emma-Laden. Weiß der Kuckuck, was hier passiert ist. Das riecht mir nach einer Erbsache. Ich denke, man muss sich gründlicher damit beschäftigen. Das ist doch verdächtig – ein kaputtes Kabel! Wer hat es so plötzlich beschädigt? Vielleicht bringt ein Gutachten etwas zu Tage. Am besten, wir warten, bis es vorliegt. Inzwischen . . . Mit dem Bruder habe ich schon gesprochen, der ist ein Säufer. Viel Vernünftiges war aus dem nicht rauszuholen. Weißt du was? Wir laden diese Zwillingssöhnchen für morgen vor und nehmen sie in die Mangel. Es ist doch merkwürdig: Der eine kurvt ständig in der Gegend herum, der andere hat einen Nervenzusammenbruch, obwohl er aussieht wie ein Stier.«
    Kolossow nickte nur. Er hatte in Rasdolsk genug eigene Probleme; die Basarows und deren Familiengeheimnisse interessierten ihn momentan herzlich wenig.
    »Ein Unglück kommt selten allein.« Spizyn schob seine Uniformmütze hoch und wischte sich mit einem Taschentuch die feuchte Stirn ab. »Vier Leichen haben wir schon in unserem Bezirk, eine fünfte hat uns gerade noch gefehlt. Und wo muss die auftauchen? Ausgerechnet in Uwarowka, wo sonst höchstens mal was aus einer Datscha geklaut wird.«
    Wieder nickte Kolossow zerstreut. Uwarowka. Katja hatte ihn gebeten, hierher zu fahren. Nun war er hier gewesen – und was weiter? Wen kannte sie hier persönlich? Worauf hatte sie überhaupt hinausgewollt?

14 Der tote Hund
    Vom frühen Morgen an klingelte pausenlos das Telefon in Kolossows neuem Büro. Die Einzelheiten von Wladimir Basarows Tod interessierten offensichtlich sehr viele Leute: Zeitungsredakteure, Vertreter von Immobilienfonds, von Holding – und anderen Gesellschaften, Ministerialbeamte.
    Doch alle Neugierigen, ausgenommen natürlich die aus dem Ministerium, schickte Kolossow höflich zum Teufel. Als Letzter rief ein gewisser Herr Swiridow an, stellte sich als Leiter der Investitionsabteilung der Gesellschaft »Öl und Gas von Russland« vor und verlangte ein persönliches Treffen mit den Vertretern der Justiz, die die Umstände »des Ablebens meines lieben Freundes und Kollegen Wladimir Basarow, Leiter der Verwaltungsabteilung der Gesellschaft« untersuchten. Diesen Mann wimmelte Kolossow nicht ab; Swiridow konnte noch von Nutzen sein, was nähere Informationen betraf. Sie verabredeten, dass Swiridow um zwölf aufs Revier in Rasdolsk kommen sollte.
    Bis zu diesem Treffen war noch Zeit, und Kolossow beschloss, sie nicht zu vergeuden. Hätte er Spizyn oder anderen Kollegen gesagt, wohin er nun fahren und was er aufklären wollte, hätten sie vermutlich geglaubt, er sei vor lauter Arbeit übergeschnappt. Daher zog Kolossow es vor, niemanden über seine Pläne zu informieren und nur dem Wachhabenden zu sagen, dass er bald zurück sei.
    Er konnte es kaum erwarten, mit eigenen Augen zu sehen, was ihm seit einiger Zeit keine Ruhe ließ. Die Straße tauchte aus dem Wald auf und führte am Flussufer entlang. Direkt an der Strecke lag eine bescheidene kleine Tankstelle. Kolossow fuhr heran und stellte den Motor ab. Die Tankwartin, eine aschblonde Frau mittleren Alters, stand neben den Zapfsäulen und unterhielt sich lebhaft mit einem forsch aussehenden Mann in einer abgeschabten Lederjacke. Kolossow unterbrach das Gespräch mit der banalen Bitte um Benzin.
    »Wie schön es hier ist, und wie ruhig«, seufzte er träumerisch. »Nur

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