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Der kalte Kuss des Todes

Der kalte Kuss des Todes

Titel: Der kalte Kuss des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanowa
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Kaleidoskop, an ihren jeweiligen Platz legten und im Zusammenwirken jenes Bild formten, das Kolossow schon so quälend lange zu rekonstruieren versuchte.
    Katja sprach vom Tiermenschen, vom Bären, von der Werwolf-Psychose, wie sie es aus irgendeinem Grund nannte – warum eigentlich? Ein Werwolf war ein Wolfsmensch, und hier handelte es sich um einen Bären. Dann berichtete Katja vom Besuch bei der Wahrsagerin Leila, von der gewaltsamen Zerschlagung der Zigeunerfeier, von den intimen Enthüllungen der Lisa Ginerosowa – in der Todesnacht Basarows hatte er selbst auch, wie er sich erinnerte, mit der Braut des einen Zwillings ein paar Worte gesprochen. Immer neue Fragen taten sich auf, auf die es vorerst keine Antwort gab. Und wieder wollte das Mosaik kein Gesamtbild ergeben.
    Als Katja erzählte, was zwischen ihr und Stepan in der Zigeunersiedlung und später im Camp vorgefallen war, wurde sie krebsrot. Doch sie verschwieg Kolossow nichts, das spürte er.
    »Er war also in der Neurologie in Behandlung?«, fragte er, als Katja endete. »Und sein eigener Bruder bezeichnet ihn als einen Verrückten?«
    Katja nickte.
    »Auch uns beiden könnte man vorwerfen, dass wir aufbrausend und jähzornig sind. Aber bei ihm ist es anders, Nikita. Das ist eine Psychose. Der Mann ist nicht normal«, sagte sie tonlos. »Manchmal ist er gar nicht er selbst, sondern der Bär aus seinen Kinderträumen. Und immer dann geht er vermutlich auf die Jagd und tötet. Ich weiß nicht, was er mit mir angestellt hätte, wäre Dmitri nicht erschienen. Und Lisa. . . das war er. Er hat sie ermordet. Sie ist nirgends zu finden. Nirgends, verstehst du? Ich bitte dich, Nikita, ich flehe dich an, hilf mir. Niemand sonst wird mir helfen, niemand wird mir glauben. Du bist mein Freund, mehr als ein Freund, wie du sagst, darum glaub mir, dass er es war, und hilf mir. Wir müssen sie finden . . .«
    Sie trafen um ein Uhr mittags in Rasdolsk ein. Unterwegs fragte Kolossow nur: »Warum glaubst du, dass man dieses Mädchen gerade dort und nicht irgendwo in Moskau suchen muss?«
    »Als Sergej und ich gestern sämtliche Adressen abgeklappert haben, wo sie hätte sein können, war ich auch in der Redaktion, in der sie arbeitet«, erklärte Katja ein wenig verworren. »Sie war nicht im Büro erschienen. Alle waren in heller Aufregung. Sie hatte Interviews in der Vertretung von › Cartier ‹ geplant, um die sie sich persönlich einen Monat lang bemüht hatte, war dort aber nicht erschienen. In der Redaktion sagte man mir, dass Lisa nach unserem Treffen in der Kosmetikfirma zurückgekehrt sei, ihr Material abgegeben habe und gerade wieder gehen wollte – wir hatten uns für den Abend verabredet. Und da sei ein Anruf für sie gekommen. Die Wache hat gesehen, dass sie sich kurz darauf zu jemandem ins Auto gesetzt hat. An die Automarke konnten sie sich nicht erinnern. Warum ich glaube, dass man sie in Rasdolsk suchen muss und nicht anderswo? Ich weiß nicht, ich habe so ein Gefühl. . . Es zieht ihn zu diesem Bärenfell, besonders wenn er mit Lisa zusammen ist. Es ist ja eine Art Leidenschaft, die sie füreinander empfinden . . . wenn auch eine unnatürliche, perverse, zumindest was ihn betrifft. . . aber mir scheint, nur dort ist er wirklich ein Bär. Alle Morde sind ja in diesem Bezirk geschehen.«
    Kolossow blickte Katja an. Sie machte eine verzweifelte Geste.
    »Wir haben Dmitri gestern Abend von den Morden erzählt, ohne Einzelheiten zu nennen, nur in groben Zügen. Er war entsetzt, aber ich wurde das Gefühl nicht los, dass er schon lange einen ähnlichen Verdacht gegen seinen Bruder hegt. Er weiß sehr viel über Stepan, mehr als alle anderen vermutlich. Aber er wird nichts sagen. Sie sind Zwillinge – eine Einheit. Allerdings hat er gestern den ganzen Tag und Abend mit uns zusammen nach Lisa gesucht.«
    »Aber die Datscha in Uwarowka ist ja nicht unbewohnt. Die beiden alten Frauen sind dort. Sie hätten doch etwas gesagt, wenn Stepan mit seiner Freundin dort aufgetaucht wäre.«
    »Aber er braucht sie ja nicht ins Haus gebracht zu haben! Er kann mit ihr auch ins Camp oder in den Wald gegangen sein. Er war in einem solchen Zustand, dass . . . Wenn du ihn nur hättest sehen können, Nikita! Das war ein Tierl« Katja verzog das Gesicht. »Weswegen ich so fest überzeugt bin, dass gerade er Lisa abgeholt hat? Weil Lisa mich todsicher angerufen hätte, wäre unsere Verabredung aus irgendeinem Grund geplatzt. Nur in einem Fall hätte sie sich nicht gemeldet: wenn

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