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Der kalte Kuss des Todes

Der kalte Kuss des Todes

Titel: Der kalte Kuss des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanowa
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sagte sie mit hörbarer Überwindung: »Ich . . . hatte Angst, ihn danach zu fragen.«
    »Erzähl mir der Reihe nach, Lisa, was an dem Abend geschah, als Wladimir Kirillowitsch gestorben ist.« Katja legte Lisa die Hand auf den Arm. »Und verschweig mir nichts, ich bitte dich.«
    Doch plötzlich wurden sie gestört. Wie sich zeigte, wurde Lisa bereits seit geraumer Zeit von ihrem Fotografen gesucht.
    »In einer Stunde ist hier alles vorbei. Ich fahre in die Redaktion und liefere mein Material ab. Und dann . . . dann komme ich zu dir, Katja.« Lisa wandte sich an den Fotografen, der in die kleine Kammer schaute, und lächelte ihm nervös zu. »Sofort, Shenja, ich hab nur ein wenig mit meiner Freundin geschwatzt. Lass es uns so machen, Katja. Hier können wir sowieso nicht länger reden. Und ich habe auch noch einige Fragen an dich. Aber denk bloß nicht, ich wäre eifersüchtig.«
    In ihren letzten Worten lag etwas so schlangenhaft Zweideutiges, dass Katja unwillkürlich wütend wurde – hier ging es um wichtige Dinge, um einen Mordverdacht, und Lisa fing von so was an!
    »Um wie viel Uhr kommst du?«, fragte sie Lisa.
    »Ich weiß nicht. Wie es sich ergibt. Vielleicht. . . so gegen sieben.«
    Damit trennten sie sich.
    Den ganzen Abend wartete Katja. Weder um sieben noch um acht noch um neun tauchte Lisa auf. Das Telefon in ihrer Wohnung wurde nicht abgehoben. Und in der Wohnung ihrer Eltern war der Anrufbeantworter eingeschaltet – die Ginerosows machten Urlaub in Sotschi.
    Katja rief Lisa um Mitternacht an, um ein Uhr nachts – das Telefon schwieg noch immer. Es schwieg auch um sieben Uhr und um acht Uhr am Morgen des nächsten Tages. Lisa war verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt.

23 Die Leiche im Wald
    »Sie ist nirgends zu finden, Nikita. Ich habe gestern zusammen mit Sergej den ganzen Tag nach ihr gesucht. Lisa ist verschwunden. Das war er! Er hat sie umgebracht. Ich weiß es, ich fühle es. Er ist wahnsinnig!«
    So hatte Kolossow Katja noch nie erlebt. Um halb neun Uhr morgens war sie wie ein Tornado in sein Büro gestürmt. Er wollte sich nach der Besprechung beim Chef gerade auf den Weg nach Rasdolsk machen. Im Unterschied zu den Fällen dort war der Mord im Untersuchungsgefängnis so gut wie aufgeklärt. Am Wochenende hatte man unter den sechzig Zellengenossen des toten Hais sechs gefunden, deren frühere kriminelle Verbindungen direkt zur Michailow-Bande führten. Kolossow betrachtete diesen Fall als zu achtzig Prozent abgeschlossen. Nun erwachte sein Interesse an Rasdolsk wieder. Aber dieses unerwartete Auftauchen Katjas . . .
    »Wer ist er, Katja?«, fragte Kolossow. Als er ihrem Blick begegnete, stand er auf, ging zur Tür und schloss ab.
    »Stepan Basarow.« Katja sprach diesen Namen erst nach einer längeren Pause aus. »Er ist auch derjenige, den du. . . den wir, Nikita, in Rasdolsk gesucht haben.«
    »Setzen wir uns erst mal.« Kolossow ging um den Schreibtisch herum, legte Katja den Arm um die Schultern und führte sie behutsam zu einem Stuhl.
    Katja setzte sich und presste die Finger zusammen, bis weiße Flecken auf der Haut erschienen. Kolossow merkte, wie aufgewühlt und entsetzt sie war. Aber sie schwieg. Und das war gar nicht typisch für sie! Kolossow ließ sich ihr gegenüber auf der Schreibtischkante nieder.
    »Sag mir eins, Katja: Bin ich ein Freund für dich?«
    »Ja, Nikita.«
    »Und du bist für mich. . .« Er zögerte. »Du bist für mich mehr als eine Freundin.«
    Sie blickte ihn an. Erstaunt – sonst nichts.
    »Mir kannst du alles sagen, Katja.«
    Da endlich öffneten sich die bis dahin fest verschlossenen Schleusen, und sie begann zu reden.
    Kolossow stellte ihr keine einzige Frage, unterbrach sie nicht ein einziges Mal. Er lauschte geduldig ihren abgehackten Sätzen. Und nun wurden sie erkennbar, die Bestandteile des Mosaiks: Blut auf dem Zaun, Fell an den Leichen, Überlebenscamp, Trichinellose, die Raubtierkrankheit, Zigeuner, manische Paranoia, der Traum von einem Bären, der eine Frau in den Wald schleppt. . . Weiherituale, Messer, die in einem Baumstumpf steckten, ein Bärenfell auf dem Fußboden (dieses Fell hatte Kolossow selbst gesehen, als er sich mit Iwan unterhalten hatte), ein Schatten im Wald, den sie nicht hatten einholen können, die von der Taschenlampe geblendeten Augen des Unbekannten, ein Hund mit gebrochenem Genick . . . Noch waren es nur ungeordnete Splitter, die man am liebsten kräftig durchgeschüttelt hätte, damit sie sich endlich, wie in einem

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