Der Kalte Kuss Des Todes
vor. Unsere Finger berührten sich. Funken sprühten, ein Feuerwerk in grün und gold – seine Magie und meine.
Ich erstarrte. Die Magie versuchte wie üblich, uns zu verkuppeln, als wären wir die letzten zwei Fae auf der Welt. Und
obwohl ich wusste, dass nichts passieren würde, konnte ich einen leisen Hoffnungsschimmer nicht unterdrücken … Vielleicht würde er ja diesmal etwas sagen, etwas anderes als -
»Sorry.« Er zog seine Hände von mir zurück, ließ den Laptop los.
Ein paar letzte Fünkchen, dann war das magische Feuerwerk vorbei.
»Keine Ursache«, antwortete ich, bemüht, mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, und stellte den Laptop vorsichtig auf meinem Rucksack ab.
Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und konzentrierte sich wieder auf sein Buch.
Ich versuchte es ebenfalls mit dem Zurücklehnen. Dabei sagte ich mir, dass Geisterzählen immer noch einen Tick besser war, als sich über das Was-wäre-wenn den Kopf zu zerbrechen. Ich warf einen Blick auf meine Liste, um zu sehen, wer als Nächstes kam. Posy.
Wie auf Kommando stellten sich meine Nackenhaare auf, und da kam sie schon: Ein schmutziger Kopfverband verbarg den Großteil ihres Gesichts; sie schlurfte in einem schäbigen Kleid, dessen zerschlissener Saum über den Boden schleifte, mit einem welken Blumenstrauß in der Hand auf uns zu. Ich notierte mit zitternden Fingern ihre Daten auf dem Pad und gab sie hinterher auch gleich in den Laptop ein. Etwas stimmte nicht mit diesem Job, irgendwas war unheimlich – ganz abgesehen von den Geistern, natürlich.
Aber immer wenn ich Finn gegenüber meine Skepsis äußerte, tat er sie mit ein paar Bemerkungen ab.
An meinem Stift kauend, musterte ich die Tunnel. Nackte Glühbirnen hingen in Metallkäfigen über uns an der Gewölbedecke und tauchten die Umgebung, der mitternächtlichen Stunde zum Trotz, in taghelles Licht. Aber die Helligkeit konnte meine Ängste nicht verscheuchen, im Gegenteil, die
Lichtinseln warfen unheimliche Schatten auf die Umgebung und über die zurückgelassenen Werkzeuge der Bauarbeiter, verwandelten sie in unheimliche, dunkle Nester, aus denen mir funkelnde Augen entgegenstarrten. Dicke Spinnweben klebten an der Ziegeldecke, und überall wuchs feuchtes, schleimiges grünes Moos. Es roch abgestanden und modrig. Und über allem lag ein leichter, süßlicher Verwesungsgeruch – den ich mir, laut Finn, bloß einbildete.
Was den Geruch leider nicht verschwinden ließ.
Dieser Ort war also schon unheimlich genug, auch ohne die vorbeidriftenden Geister. Mein Blick glitt zu der neu errichteten Schlackensteinmauer, die das der Themse zugewandte Tunnelende verschloss, und blieb schließlich auf dem durch Kordeln abgetrennten Bereich in einer Ecke haften. Eine wahre Lawine aus grauen Menschenknochen ergoss sich hier über den Boden, ein Anblick, den ich den ganzen Abend zu vermeiden versucht hatte – vor allem deshalb, weil ich das Gefühl hatte, dass sie meinen Namen zu flüstern schienen.
»Erkläre mir bitte noch mal, was genau wir hier verloren haben«, bat ich Finn, um das Flüstern nicht mehr hören zu müssen.
Finn blickte irritiert auf. Aber lieber ein gereizter Finn als flüsternde Knochen. Daher hakte ich nach: »Ich meine, die wollen diesen Teil des Tunnelsystems zur Touristenattraktion ausbauen, oder? Und da kommt einem ein Gespensterbefall doch nur recht, oder? Aber irgendwas scheint sie erschreckt zu haben und zu vertreiben.« Ich konnte ihnen das nachfühlen, so sehr mir vor ihnen graute. »Aber was ich nicht verstehe, ist, warum Spellcrackers? Wir stöbern Magie auf und zerstören oder neutralisieren sie. Aber Geister haben nichts mit Magie zu tun. Warum ruft der Bauherr nicht einfach ein Medium, um der Sache auf den Grund zu gehen?«
»Ich hab dir doch gesagt, das will er nicht«, erklärte Finn
und strich gereizt eine Seite glatt. »Er fürchtet, jeder weitergehende Kontakt könnte die Geister noch mehr verschrecken. Wir sollen sie bloß beobachten, um vielleicht rauszukriegen, warum und wohin sie verschwinden.«
In diesem Moment kam Happy Head vorbeigeschlurft. Sein Kopf war eingedellt, und auf seinem Gesicht lag ein vages Grinsen. Sein Körper war durchsichtig wie die Reflektion in einer Fensterscheibe. Einen Schauder unterdrückend, weckte ich meinen Laptop und gab seine Daten ein. Die Geister folgten alle demselben Muster, erschienen in fast identischen Abständen und fast immer zur selben Stunde. Das änderte sich, soweit wir festgestellt
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