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Der Kalte Kuss Des Todes

Der Kalte Kuss Des Todes

Titel: Der Kalte Kuss Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne McLeod
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hatten, nie. Natürlich musste man bedenken, dass es hier momentan so still war wie im sprichwörtlichen Grab.
    »Woher will er überhaupt wissen, dass sie irgendwohin verschwinden?« Ich scharrte mit meinen Stiefelabsätzen über den dreckigen Boden. »Ich meine, die Arbeiter sind alles Menschen, oder? Und die können die Geister doch gar nicht sehen.«
    »Er meint, den Arbeitern sei eine Veränderung aufgefallen – etwas sei anders, die Atmosphäre, es fühle sich weniger gruselig an als zuvor, meinen sie. Sie kriegen kaum noch eine Gänsehaut.«
    »Vielleicht nehmen die Geister ja vor ihnen Reißaus«, sinnierte ich, »hat er sich das schon mal überlegt?« Ich malte einen Hammer, der auf den Kopf des schreienden Männchens niederfuhr.
    Finn murmelte etwas Unverständliches und blätterte weiter.
    Ich verfiel in stirnrunzelndes Schweigen und blickte ihn verstohlen unter den Wimpern hervor an. Irgendwas stimmte nicht, ich war mir sicher. Aber was? Ich schaute mich um, doch abgesehen von dem Bannkreis – in dem nun grüne
und goldene Flecken tanzten – und einem vagen, aschgrauen Schimmer über dem Knochenhaufen war nichts zu sehen. Ich konnte nicht einmal Finns Glamour erkennen, aber er trug ihn schon so lange, dass er ein Teil von ihm geworden war. Nachdenklich kritzelte ich weiter Figürchen und überlegte dabei, woher mein Unbehagen kam. Gelegentlich zupfte ich an meinem T-Shirt, dort, wo es mir an der schweißnassen Haut klebte.
    Finn schnippte mit den Fingern und hatte plötzlich eine Wasserflasche in der Hand. Er hielt sie mir hin. »Willst du?«
    »Danke«, sagte ich und nahm sie. Sie war eiskalt, direkt aus seinem Kühlschrank hierher gezaubert. Hauselfenmagie ist eine feine Sache – wenn man sie beherrscht, was bei mir leider nicht der Fall ist. Ich nahm dankbar einen tiefen Schluck. Finn schnippte erneut und rief auch für sich eine Flasche herbei.
    »Da kommt schon wieder eine«, sagte er und deutete mit seiner Flasche auf einen Tunnel. »Lampen-Lady.«
    Ich bekam prompt eine Gänsehaut. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich, wie sie näher kam und schließlich an uns vorbeischlurfte. Sie hatte sich ihr Schultertuch über den Kopf gelegt, und ihre weiten Röcke hinterließen eine Schleifspur auf dem staubigen Boden. Wenn sie unter einer Hängelampe vorbeiging, begann die Birne zu flackern und ging zischend aus, sprang jedoch wieder an, sobald sie die nächste erreichte. So war es immer, wenn sie erschien.
    Ich stellte meine Flasche ab und tippte ihre Daten in den Laptop, kopierte sie und schickte sie an den Pad.
    Ich runzelte die Stirn. Meine Zweifel in Bezug auf diesen Job verdichteten sich – und auf einmal fiel der Groschen.
    Ich starrte die Figürchen an, die ich gezeichnet hatte. Da war ein gehörnter Mann auf einem Pferd – na gut, es sah eher
aus wie ein Affe auf einem Hängebauchschwein -, aber nun wusste ich auf einmal, woher mein Unbehagen kam. Es lag weniger an dem Job selbst als an Finn und seiner Einstellung dazu. Er spielte mal wieder den Ritter in schimmernder Rüstung.
    Verdammt, normalerweise kapierte ich solche Dinge schneller.
    »Weißt du«, sagte ich, sobald Lampen-Lady verschwunden war, »ich glaube, dieser Job ist reine Beschäftigungstherapie.«
    Finn blickte nicht auf, was meine Vermutungen bestätigte. »Wie kommst du darauf?«
    »Tja, die Geister sind schon so lange hier, die verschwinden nicht. Und sie folgen jede Nacht demselben Muster, auf die Sekunde.« Ich klapperte mit meinem Stift. »Die sind daran gewöhnt, dass es hier unheimlich ist. Nicht mal dieser Bannkreis kann Scarface von seinem Kurs abbringen. Und wenn sie das nicht stört, was sollte sie stören?«
    »Gen, wir werden bezahlt, und wir werden gut bezahlt. Nachtzulage.« Er sagte es, als ob dies Grund genug wäre, nicht näher nachzufragen.
    »Hm. Wieso will der Bauherr dann tagsüber niemanden hier haben?«
    »Weil er kein Aufhebens von der Sache machen will.« Er blätterte um. »Er will keine schlechte Publicity.«
    »Schlechte Publicity, dass ich nicht lache!« Ich schnaubte. »Wenn rauskommt, dass hier regelmäßig Geister durch die Tunnel wandern, dann kann er sich vor Besuchern kaum retten. Das wäre keine schlechte Publicity, das wäre kostenlose Werbung für ihn!«
    Darauf sagte Finn nichts, schraubte seine Flasche auf und trank sie in langen Zügen leer. Ich versuchte, nicht auf seinen Hals, seine Halsmuskeln, zu starren.

    »Komm, Finn, was geht hier wirklich vor? Und versuch nicht mir

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