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Der kalte Schlaf

Der kalte Schlaf

Titel: Der kalte Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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nach Sharons Tod die Welt neu zu ordnen. Sie wollen sicher sein, dass sie das Böse in die Schranken weisen können. Amber, das ist herzzerreißend. Sie müssen mit jemandem reden. Einem Therapeuten.«
    »Du sagst das, als wäre uns der Gedanke noch nie gekommen.« Dinah schwört hoch und heilig, wenn wir sie zwingen, mit jemandem zu reden, den sie nicht kennt, wird sie so tun, als sei ihr Mund zugenäht – sie wird kein Wort sagen. Nonie bricht in Tränen aus und fängt an zu zittern, wenn wir die Möglichkeit einer Therapie oder Beratung auch nur erwähnen, ganz egal, wie wir es formulieren. »Aber im Augenblick interessiert mich weniger, mit wem sie noch reden werden. Viel mehr interessiert mich, mit wem sie schon gesprochen haben.«
    »Was meinst du damit?«, fragt Luke.
    Er ist zu sehr auf die Mädchen konzentriert. Er denkt nicht an die Polizei, an den Mord an Kat Allen. »Wenn Dinah sich das mit dem Lieb – Grausam – Liebgrausam ausgedacht hat und wenn sie und Nonie – und jetzt wir – die Einzigen sind, die davon wissen, und sie es nirgendwo aufgeschrieben haben …«
    »Aber das müssen sie«, sagt Luke.
    »Haben sie aber nicht. Sie schwören es, und ich glaube ihnen. Sie haben diese Wörter nie aufgeschrieben, weder als Überschriften noch irgendwie sonst. Luke, an dem Tag, an dem Katharine Allen ermordet wurde, waren sie in der Schule. Es waren Herbstferien. Sie gingen in den Ferien-Fun-Club, den Club für Kinder, deren Eltern in den Ferien keine Zeit für sie haben. Du warst bei der Arbeit, ich war in Truro bei der Eröffnungsfeier von Terry Bonds Restaurant … Dinah und Nonie waren von halb neun bis half fünf in der Schule. Sie waren nicht im Zentrum von Spilling und schrieben ›Lieb – Grausam – Liebgrausam‹ auf einen Block linierten Papiers, während im Nebenzimmer jemand Katharine Allen totschlug!«
    »Aber … wenn sie es nicht aufgeschrieben haben …«
    »Erst schworen sie auch hoch und heilig, es nie jemandem erzählt zu haben, aber das klang etwas weniger überzeugend. Es dauerte nicht lange, dann wollte Nonie meine Zusage, dass niemand, der es sonst noch wusste und die Worte möglicherweise zu Papier gebracht hatte, Probleme bekommen würde, da er nichts Falsches getan habe.« Ich lächle traurig. »Ich glaube, die Probleme, an die Nonie dabei dachte, waren eine Strafpredigt für die Teilnahme an einem Spiel, das andere Leute für moralisch unberührbar erklären, anstatt zu überlegen, ob es vielleicht auch mildernde Umstände gibt.«
    »Wem um Himmels willen haben sie es erzählt?« Ich höre an Lukes Stimme, dass er weint. »Wen kennen die beiden, der jemanden umbringen würde? Niemanden! Das ergibt doch alles keinen Sinn, das ist … total kaputt.«
    »Derjenige, dem sie es erzählt haben, hat Katharine Allen nicht umgebracht«, sage ich. »Oder vielmehr diejenigen. Es sind zwei, ebenfalls Kinder. Sie sind ebenso unschuldig wie Dinah und Nonie.«
    »Was für Kinder? Schulkameraden?«
    »Nein.« Ich hasse das. Es wird für Luke noch schlimmer sein als für mich, die Antwort zu hören. Nonie hat Recht, man kann nicht jemandem etwas erzählen, was ihn aus der Fassung bringt, ohne derjenige zu sein, der ihn verletzt. »Dichter dran«, sage ich. »William und Barney.«
*
    Als Ginny mir die Tür öffnet, übergebe ich ihr als Allererstes einen Scheck über zweihundertachtzig Pfund, als Entschädigung dafür, dass sie sich noch einmal mit mir abgeben muss, nachdem ich beim ersten Mal so unangenehm war. »Hängen Sie ihn ruhig an die Wand, damit sie ihn betrachten können, während wir reden«, sage ich.
    Sie versucht zu verstehen. »Den Scheck«, erkläre ich. »Für den Fall, dass Sie eine sichtbare Erinnerung benötigen, wenn Sie sich fragen sollten, warum Sie es drei Stunden mit mir aushalten.« Wenn sie mich nicht bald reinlässt, nehme ich ihr den Scheck wieder ab. Es schneit. Wärme quillt aus Ginnys kleiner Holzhütte in die kalte graue Luft hinaus. Ich will da rein.
    Sie lächelt. »Wenn ich Sie nicht aushalte, dann ist es jemand anders. Oder glauben Sie, dass Sie der wütendste Mensch sind, der je über meine Schwelle getreten ist?«
    Lassen Sie mich erst mal über Ihre Schwelle treten und fragen Sie dann.
    »Ich kann Ihnen versichern, das sind Sie nicht. Und wenn ich Angst vor Wut hätte, hätte ich meinen Beruf verfehlt.« Endlich tritt sie zur Seite und macht eine weit ausholende Geste. Sie trägt schwarze Leggins, einen blassrosa Pullover und einen Duft, den ich erst

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