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Der kalte Schlaf

Der kalte Schlaf

Titel: Der kalte Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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könnte. Das hier muss einfach klappen. »Ich bin bereit, zu tun, was notwendig ist, um herauszufinden, was ich wissen muss«, sage ich. »Ich komme so oft wie nötig und zahle so viel wie …«
    »Amber, Amber – hören Sie auf.« Ginny hebt beide Hände wie ein Pantomime, der ein Fenster darstellen will. »Es ist keine Frage der Zeit. Es ist komplizierter. Unser Unterbewusstsein ist sein eigener Herr. Wirklich, das ist so. Ja, verdrängte Erinnerungen kehren unter Hypnose wieder ins Bewusstsein zurück, aber nur sehr willkürlich. Obwohl es oft einen Grund dafür gibt.« Sie seufzt. »Ich erkläre das nicht sonderlich gut, oder? Nehmen wir mal Ihren Fall. Sie wollen wissen, wo Sie ein bestimmtes Blatt Papier gesehen haben. Jedenfalls denkt Ihr Bewusstsein, dass es das ist, was Sie wissen müssen. Und dass das alles ist, was Sie wissen müssen. Aber sehr wahrscheinlich ist Ihr Unterbewusstsein da ganz anderer Ansicht. Es wird andere Erinnerungen hochkommen lassen – nicht die Erinnerung, nach der Sie suchen, sondern Dinge, die Ihnen vollkommen unerheblich erscheinen werden … nur dass Sie nicht unerheblich sind.«
    Ich hasse den wissenden Blick in ihren Augen. Das ist mein Albtraum, nicht ihrer – mein Leben ist ein einziges Chaos, meine Mädchen sind in Gefahr –, und sie denkt, sie wisse mehr darüber als ich.
    »Dadurch, dass diese Erinnerungen sich immer wieder dem Bewusstsein präsentieren, beweisen sie, dass sie keineswegs irrelevant sind. Man denkt sich: ›Warum taucht diese blöde, total irrelevante Erinnerung bloß immer wieder auf?‹ Hoffentlich erkennt man dann irgendwann, dass sie alles andere als nebensächlich ist. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass diese irrelevante Erinnerung sich als wichtiger erweisen wird als die Frage, wo Sie Ihr Blatt Papier gesehen haben.«
    Nein, wird es nicht. Sie weiß gar nichts.
    »Was Sie wissen müssen und was Sie wissen wollen, sind zwei völlig verschiedene Dinge«, fährt sie fort und genießt den Klang ihrer Stimme, die Weisheiten von sich gibt. »Ich glaube, Sie würden ungeheuer von einer Hypnotherapie profitieren. Ich bin überzeugt, dass ich Ihnen helfen kann. Sie werden verschiedene Rätsel lösen, von denen Sie noch gar nichts wissen. Keine Morde – Rätsel in Ihnen, in Ihrem Charakter, in Ihrem Alltag. Eins kann ich allerdings nicht garantieren, dass Sie sich an dieses eine Detail erinnern werden, und … ich muss Ihnen mitteilen, je mehr Sie sich darauf versteifen, das für das Wesentliche zu halten, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie sich daran erinnern werden.«
    »Schön«, sage ich, obwohl es das keineswegs ist. Es ist von schön so weit entfernt wie Mozarts Requiem von einem enttäuschenden Beitrag im Eurovision Song Contest, aber wenn ich weiterkommen will, muss ich wohl kooperieren. »Schön. Ich habe doch schon gesagt, ich tue, was immer nötig ist. Wenn Sie denken, es hilft, wenn ich aufhöre, das wissen zu wollen, was ich wissen will, versuche ich eben, damit aufzuhören.«
    Ginny presst die Hände zusammen. »Warum lehnen Sie sich nicht zurück, entspannen sich und hören auf, sich über Ergebnisse und Resultate Gedanken zu machen?«, schlägt sie vor. »Wir haben drei Stunden, also fangen wir mit Hypnose und freier Assoziation an und schauen mal, wohin uns das führt, einverstanden?«
    »Sie haben keine persönlichen Erfahrungen mit Mord, oder?«
    »Nein. Stört Sie das?«
    »Was ist mit Ihren Patienten? Misshandlungsopfer haben Sie zweifellos wie Sand am Meer, aber haben Sie noch jemanden wie mich?«
    »Nein, und …«
    »Hatten Sie schon jemals einen Klienten, bei dem es um Mord ging?«
    »Amber, Mord ist nicht das Thema, um das es bei Ihnen geht. Das denken Sie nur.«
    »Komisch, dass alles, was ich denke, falsch ist, oder?«, fahre ich sie an. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Ich gehe und lasse mir die Beine enthaaren. Währenddessen können Sie ja alle meine Probleme lösen, da Sie ja so viel mehr darüber zu wissen scheinen als ich.«
    Ginny lächelt, als gefalle ihr der Witz. »Sie glauben, dass Sie wissen wollen, wer Katharine Allen ermordet hat, aber Sie fragen sich nicht, wie es kommt, dass Ihnen das so wichtig ist. Sie haben Katharine Allen nicht gekannt, oder? Es ist Aufgabe der Polizei, den Mörder zu finden, nicht Ihre.«
    Ich lache. »Ist das Ihr Ernst? Nein, ich habe sie nicht gekannt, aber ich weiß genau, ich habe irgendwo ein Blatt Papier gesehen, das in ihrer Wohnung von einem Block abgerissen

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