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Der kalte Schlaf

Der kalte Schlaf

Titel: Der kalte Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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wurde. Und das bedeutet, es besteht die Möglichkeit, dass ich ihren Mörder kenne, falls Sie zu dämlich sind, das selbst herauszuarbeiten.«
    »Genau«, sagt Ginny.
    Wer sagt »genau!«, wenn man gerade bewiesen hat, dass er total bescheuert ist?
    »Am Dienstag sind Sie zu mir gekommen, weil Sie hofften, ich könnte Sie von der Schlaflosigkeit heilen.«
    Für den Scheiß fehlt mir die Geduld. Ich weiß, was ich am Dienstag gemacht habe.
    »Sie teilten mir mit, Sie wüssten, warum Sie nicht schlafen können – Stress –, stellten aber klar, dass Sie nicht bereit seien, über die Ursachen zu sprechen. Und nun, dank einer Verkettung von Umständen, die niemand hätte vorhersehen können, sind Sie in eine Mordermittlung hineingeraten, und wieder kommen Sie mit einem ganz bestimmten, klar umrissenen Anliegen zu mir. Sie wollen nicht abgelenkt werden, Sie wollen nur diese eine Sache herausfinden, damit dann alles wieder gut ist. Ebenso wie Sie am Dienstag glaubten, dass alles wieder gut wäre, wenn ich einen Zauber auf Sie lege, der Sie wieder schlafen lässt.«
    Diese Frau ist unglaublich. Und ich bin eine Heilige, weil ich nicht rübergehe und ihr eine runterhaue.
    »Kann sein, dass Sie Dienstag nicht gelogen haben, aber jetzt tun Sie es«, sage ich. »Ich habe nie gesagt oder gedacht, dass alles gut wäre, wenn ich nur schlafen könnte. Ich habe allerdings sehr wohl gedacht – und es tut mir leid, falls ich mich nicht klar ausgedrückt haben sollte –, dass ich vielleicht die nächsten vierzehn Tage überleben würde, wenn ich wieder schlafen könnte. Erkennen Sie den Unterschied?«
    »Amber, ich will mich nicht mit Ihnen streiten. Wir sollten damit aufhören und mit der Hypnose anfangen. Wenn wir so weitermachen, drehen Sie mir nur die Worte im Mund herum.«
    »Und Sie mir.«
    »Ihr Problem ist weder die Schlaflosigkeit noch ein ungelöster Mordfall. Sie sind heute hier, und Sie waren am Dienstag hier, weil irgendwas in Ihrem Leben ganz fürchterlich falsch läuft und Sie keine Ahnung haben, was es ist. Das macht Ihnen Angst. Das ist das Rätsel, bei dessen Lösung ich Ihnen helfen kann, wie ich hoffe – wenn Sie mich lassen. Warum lehnen Sie sich nicht zurück? Stellen Sie den Stuhl in Liegeposition, schließen Sie die Augen und …«
    »Warten Sie«, sage ich. »Es gibt etwas, das ich Ihnen erzählen muss, bevor wir anfangen.«
    »Nein, müssen Sie nicht. Das glauben Sie nur.«
    Unglaublich. »Ich komme mir vor wie dieser Baum«, sage ich, hauptsächlich weil ich weiß, dass es sie verwirren wird.
    »Baum?« Sie schaut auf die botanischen Drucke an der Wand. Auf keinem ist ein Baum zu sehen. Raten Sie nochmal.
    »Der Baum, der im Wald umstürzt, und niemand hört es. Kann man sagen, dass es ein Krachen gab, obwohl niemand dort war, der es hören konnte?«
    Ginny runzelt die Stirn. »Und … Sie fühlen sich wie dieser Baum?«
    »Ich weiß gar nicht, warum mein Gehirn heute Morgen extra vorbeigeschaut hat, wenn Sie jeden Gedanken abtun, den es hervorbringt.«
    »Ihr Gehirn ist ein kleiner Tyrann«, sagt Ginny. »Es sollte sich mal zurückziehen.«
    »Dasselbe Gefühl habe ich wegen Ihres Gehirns«, teile ich ihr mit.
    »Das ist bereits eine Verbesserung.« Sie lächelt. »Ein Gefühl ist immer eine Verbesserung gegenüber einem Gedanken, von der therapeutischen Warte aus gesehen. Schauen Sie, wie wäre es mit einer Abmachung. Sie erzählen mir, was Sie für wichtig halten, und danach bin ich der Boss. Sie schalten Ihr Gehirn ab und nehmen die Befehle von mir entgegen. Einverstanden?«
    »Okay.« Sozusagen.
    Jetzt, wo ich die Erlaubnis habe, weiß ich nicht, wo ich anfangen soll. Und dann fange ich an, ihr von den geheimnisvollen Worten zu erzählen. Ich erzähle ihr, wo ich mit meinen Gedanken war, als ich bei der Sitzung am Dienstag damit herausplatzte, ohne dass mir bewusst war, was ich da sagte, nämlich bei Jos Verschwinden vor sieben Jahren. Ich hatte gerade überlegt, ob das zu ausgefallen sei, eine zu gute Geschichte – konnte es als Erinnerung durchgehen, die gerade in mir aufgestiegen war, wenn ich dermaßen oft daran dachte?
    Ich schildere ausführlich, was an diesem Weihnachten in Little Orchard geschah. Es ist eine größere Erleichterung, als ich mir vorgestellt hatte. Ich verstehe es danach nicht besser als vorher, aber trotzdem fühlt es sich gut an, die Fakten zusammenzustellen und jemandem zu unterbreiten, der kein Mitglied der Familie ist. Als ich fertig bin, erscheinen mir die Lücken in

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