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Der kalte Schlaf

Der kalte Schlaf

Titel: Der kalte Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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Marianne?«
    Sharons Mörder, hätte ich am liebsten gesagt. Nicht Sharons »du weißt schon«. Wir müssen anfangen, die Dinge beim Namen zu nennen.
    Dann fang damit an. Heuchlerin.
    Ich nicke. »Beide. Und den Brandstifter, der unser Haus angezündet hat, mal vorausgesetzt, es sind zwei verschiedene Personen.« Was das Gegenteil von dem ist, was ich annehme, also warum sage ich es? »Die beiden Brandstifter sind in der Kaste GRAUSAM.« Obwohl es keine zwei Brandstifter gibt. Es gibt nur einen.
    Ich versuche, die Stimme in meinem Kopf zum Schweigen zu bringen, und sage mir, dass ich erst Genaueres wissen werde, wenn ich herausfinde, wo ich dieses linierte Blatt Papier gesehen habe.
    »Marianne war früher in der Kaste LIEBGRAUSAM«, berichte ich. »Weil sie so tat, als läge ihr etwas an Dinah und Nonie, obwohl offensichtlich ist, dass ihre Enkelinnen ihr völlig egal sind. Heuchelei und Mangel an Integrität sind wiederkehrende Themen für Leute, die zu dieser Kaste gehören – mit Ausnahme von Kirsty natürlich. Menschen mit zwei Gesichtern, Leute, die sich selbst vormachen, sie seien gute Menschen.«
    Jo. Jo gehört zur Kaste LIEBGRAUSAM.
    »Es wird dich freuen zu hören, dass Marianne jetzt in der untersten Kaste ist. Die Mädchen haben sie nach dem letzten Telefonat mit ihr heruntergestuft, sie hatte wohl irgendwas Gemeines zu ihnen gesagt. Da sie mir nicht sagen wollen, was es war, nehme ich an, dass es um mich ging oder um uns.« Ich habe versucht, den beiden zu erklären, dass sie mich nicht beschützen müssen. Dinah hätte sich überzeugen lassen, glaube ich, aber Nonie blieb fest. »Ich kann dir nicht erzählen, was jemand Gemeines gesagt hat, ohne es selbst in den Mund zu nehmen, und das will ich nicht«, sagte sie.
    Ich spüre, dass Luke auf etwas wartet, und schaue ihn an, was ich bislang vermieden habe. Blickkontakt macht es schwieriger. »Ich glaube, das Kastensystem wurde nicht für die Schule entwickelt. Das ist eine Ausrede.« Unwillkürlich muss ich lächeln. »Obwohl es da ganz nützlich ist. Dinah hat gestern ein paar Mitschülerinnen aus ihrem Hektor-Stück geworfen, ohne ihnen einen Grund dafür zu nennen. Sie konnte ihnen ja schlecht erzählen, dass sie in die Kaste GRAUSAM heruntergestuft worden waren, nicht länger würdig, im Rampenlicht zu stehen, so gut sie auch schauspielern mögen. Die Grausamen sind die Unberührbaren, die Niedrigsten der Niedrigen. Man spielt nicht mit ihnen, hilft ihnen nicht bei den Hausaufgaben, gibt ihnen keine Rollen in seinen Theaterproduktionen. Die Zwischenkaste kann mit den Grausamen verkehren – und auch mit den Netten, klar –, aber die oberste Kaste, die Lieben, darf keinen Umgang mit der niedrigsten Kaste haben. Es könnte ihre Freundlichkeit kontaminieren.«
    »Wie viele Leute wissen davon?«, fragt Luke. »Mir grauste ja schon immer vor den Elternabenden, aber das hier …«
    »Oh, in der Schule weiß es niemand. Es ist streng geheim. Nur Dinah und Nonie wissen davon.«
    Ich blinzle die Tränen weg. »Als sie mir davon erzählten, hatten sie solche Angst, dass ich böse sein würde – dass ich von ihnen verlangen würde, damit aufzuhören, oder versuchen würde, ihnen zu erklären, warum es falsch ist. Sie hätten auch den Mund halten können, aber … sie wussten, wie wichtig es für mich war zu verstehen, was diese Worte bedeuteten. Ich hatte sie auf eine Zeitung geschrieben. Dinah hat es entdeckt und mich danach gefragt. Ich versuchte, ausweichend zu antworten, aber ich hab’s vermasselt. Sie ist schlau. Ihr war klar, ich hatte es irgendwie herausgefunden und fand irgendetwas an diesen Worten beunruhigend. Die beiden haben nicht verstanden, warum ich sie nicht ausschimpfte, wenn ich von ihrem Apartheid-System erfahren hatte. Warum hatte ich sie noch nicht darauf angesprochen? Sie haben darüber gesprochen und beschlossen, mutig zu sein. Sie würden mich danach fragen und alles gestehen, selbst wenn ich dann Stress machen würde. Was ich nicht getan habe«, ende ich trotzig. »Und ich werde es auch nicht. Mir wäre es lieber, wenn du es auch nicht tätest. Später, wenn sich alles wieder etwas beruhigt hat, spreche ich vielleicht mit ihnen darüber.« Oder auch nicht. Wird der Kampf für die Rechte der Grausamen je ganz oben auf meiner Liste von Dingen stehen, die ich unbedingt noch erledigen muss?
    Luke stemmt sich vom Bett hoch und tritt ans Fenster. »Du hast Recht«, sagt er. »Es hat nichts mit der Schule zu tun. Es geht den beiden darum,

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