Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum
um und sagte, erst würden sie den Laster holen, Klugscheißer, dann die Waffen, hier habe alles seine Ordnung. Der Laster komme offiziell über die Bundeswehr, die demilitarisierte NVA -Bestände verscherbele, während die Kalaschnikows und die Makarows zwar auch von der NVA stammten, aber schwarz über die Russen bezogen worden und natürlich kriegsgeeignet seien. Er habe sie bereits in einer russischen Kaserne in Dresden abholen lassen, sie warteten in einem anderen Wald. Michels Stimme wurde pathetisch, er schlug mit der Faust gegen den Sitz und sagte, zum Zeichen seiner Sympathie für den serbischen Kampf gegen die Faschisten habe er bei den Russen zwei Dragunow-Scharfschützengewehre erstanden, die lege er als Geschenk obendrauf.
»Danke«, sagte Thomas. »Verkaufen Sie auch Zierteller?«
»Nur aus NVA -Beständen.«
»Ich suche Bonn.«
»Ich kann dir Buchenwald anbieten.«
»Das KZ ?«
»Nationale Mahn- und Gedenkstätte, ausgegeben vom Wehrbezirkskommando Erfurt. Hat eine hübsche blaue Zeichnung, ein Turm und eine Brücke.«
»Nein, danke.«
»Belgrad?«
»Haben wir schon«, log Thomas.
»Leningrad, Moskau, Pjöngjang, Tripolis …«
»Moskau«, sagte Thomas. Moskau war der Traum seiner Mutter, Ach, einmal Moskau sehen …, sagte sie manchmal, sie verband die Stadt mit Omar Scharif, sie würde nie nach Moskau kommen, der Vater verband es mit Stalin und den Kommunisten – da mochte ein Zierteller helfen.
»Das Problem«, sagte der Soldat.
»Richtig, das Problem.« Michel schürzte die Lippen im Bartgebüsch. »Du hast keine Fahrer mehr.«
Die beiden angeheuerten Fahrer seien Kroaten . Irgendjemand zwischen Rottweil und Bautzen spiele falsch, wer, habe er noch nicht herausgefunden. Den Saboteuren sei es gelungen, ihm, Michel, Kroaten als Fahrer unterzujubeln für eine Fuhre Waffen, die für die Serben bestimmt sei. Nicht auszudenken, welcher Schaden angerichtet worden wäre, wenn die Waffen in Zagreb oder Split gelandet wären. Niemand hätte jemals noch Geschäfte mit ihm gemacht. Zum Glück habe sich einer der beiden Kroaten verraten. Er habe an einem katholischen Rosenkranz herumgefingert, nicht an der orthodoxen Gebetsschnur.
»Hat keiner gemerkt«, sagte Michel. »Nur einer.« Er lächelte finster. »Ich bin ein Priestersohn.«
Jedenfalls, schloss er, lägen die beiden nun gut verschnürt in einem Lkw mit argentinischen Rinderhälften und würden erst in der Tschechoslowakei wieder Tageslicht erblicken.
Thomas hatte sich gegen die Lehne sinken lassen, der Mützensaum war ihm halb über die Augen gerutscht, er hätte ihn gern ganz darübergezogen. Ein Lkw voller Waffen, keine Fahrer, und morgen Vormittag wollte er Jelena zur Uni bringen. Er zündete sich eine Zigarette an, verpürte plötzlich den Drang zu lachen, verschluckte sich am Rauch und hustete.
»Und wer bringt unsere Waffen jetzt nach Serbien?«
»Dein Problem«, sagte Michel.
Ein ehemaliger Militärflugplatz bei Bautzen, doch keine Flugzeuge, sondern Lastwagen, Hunderte, in langen Reihen nebeneinander, alle im Grün der Nationalen Volksarmee, alle zum Verkauf stehend – Sattelzüge und Pritschenfahrzeuge jeder Größe, Zugmaschinen mit Tankauflieger, mit abnehmbarem Koffer, Werkstattwagen, Tankwagen, sogar Traktoren, der halbe militärische Fuhrpark der Deutschen Demokratischen Republik.
»Keine Sorge, deiner sieht anders aus«, sagte Michel.
»Nicht so auffällig«, ergänzte der Soldat.
Meiner, dachte Thomas, und ein Kribbeln lief ihm über die Arme.
Ein Trabant Kübel mit offenem Verdeck hielt vor ihnen, sie stiegen ein. Thomas spürte die kräftigen Schultern und Beine des Soldaten neben sich, roch die Tarnjacke, die verborgene Pistole, roch Entschlossenheit. Der Fahrer, ein braungebrannter Bundeswehrrekrut, raste an den Lkws vorbei, der Wind zerrte an der Russenmütze, mit beiden Händen hielt Thomas sie fest.
Meiner, dachte er und hatte Bran vor Augen, im weißen Golf führte er die kroatischen Verbände durch Slawonien und schoss Tschetniks ins Bein. Wie die Bestien wüten sie, hatte er in einer Rottweiler Diskothek geschrien, wenn zehn von ihnen eine unserer Frauen vergewaltigt haben, reicht es ihnen immer noch nicht, dann zwingen sie die gefangenen Türken, es auch zu tun!
Bran, der seit seiner Rückkehr zitterte, als fröre er ohne Unterlass. Das ist die Energie, schrie er, wenn man ihn darauf ansprach, auch außerhalb von Diskotheken, ich will wieder runter, das ist die Kampfenergie!
Sie hatten den
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