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Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Titel: Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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durch einen geeigneteren Hofhund ersetzen können. Er hatte es nicht getan.
    Auch er wartete, bis Methusalem der Müdigkeit erlag.
    Es ging immer um Loyalität. Um Freundschaft und darum, was man für Freunde zu tun bereit war.
    Lügen, zum Beispiel.
    Er war früher oft hier, wir waren Freunde, das stimmt. Aber wie gesagt. Er ist im Krieg gefallen.
    Jordan war jetzt sicher, dass Bachmeier gelogen hatte. Die unruhigen Augen und die selbstlose Loyalität zu einem alten, nutzlosen Hund sagten alles.
    Die Glocke schlug einmal, ließ dem Klang Zeit, sich gemächlich über das Tal zu senken. Jordan dachte an Briševo, sah die Häuser in seiner Straße brennen, hörte die Schreie, das aufgeregte Gebimmel der katholischen Kirche verstummt, seit Granaten das Gebäude zerrissen hatten.
    Beim zweiten Glockenschlag betätigte er den Fernauslöser. Ein fast schwächlicher Knall durchbrach die Stille, als die Bombe explodierte.
    Aus der geborstenen Scheunenwand züngelten Flammen.
    Er wandte sich um und lief los, und in das Geräusch seiner Schritte mischten sich das ferne Prasseln des Feuers und erste panische Rufe.

II
    Z ADOLJE

16
    DONNERSTAG, 14. OKTOBER 2010
    NAHE STUTTGART
    Braungoldene Felder im milden Sonnenlicht, am Horizont grüne Hügel. In Berlin Winter, im Süden Herbst, Lorenz Adamek hatte damit gerechnet und war doch überrascht.
    Vierzehn Uhr, der Zug stand kurz vor Stuttgart auf freier Strecke. Keine Sekunde Verspätung bislang, jetzt raste ihm die Zeit davon. Zehn Minuten zum Umsteigen in Stuttgart.
    Er erhob sich, holte die Reisetasche von der Ablage und ging in Richtung Tür. Becken und Hüfte waren steif, dabei war er während der fünfeinhalbstündigen Fahrt vermutlich länger gelaufen, als er gesessen hatte. Zehnmal hatte er den ganzen Zug durchschritten, um die eigensinnigen Knochen in Bewegung zu halten, fünfmal hin, fünfmal zurück; beim dritten Mal hatten ihn die ersten Fahrgäste gegrüßt.
    Er reihte sich in die Schlange im Gang ein.
    Was man nicht alles tat für die Familie.
    Bitte, Lorenz, klär das für mich.
    Die verbundenen Arme und Beine, die vom Regen wirren Haare, das erschöpfte Gesicht nachts um eins, wer hätte da Nein sagen können? Auf den Knien des Onkels hatte der blutbespritzte, von Glassplittern durchsetzte blaue Morgenmantel gelegen, den er im letzten Moment vor dem Mülleimer gerettet hatte. Her damit!, hatte er die Krankenschwester angeherrscht, und irgendein mächtiges Gefühl war ihm rot ins Gesicht geschossen, eine Mischung aus Verzweiflung und Zorn.
    Also hatte Adamek den Mantel vom Balkon der Krankenstation ausgeschüttelt und Ehringer anschließend das Versprechen abgerungen, ihn reinigen zu lassen. Wortlos hatte Ehringer genickt und den Mantel auf seinen Schoß gebettet.
    Schweigend kehrten sie in die kleine Wohnung zurück, der Onkel eingesunken im Rollstuhl, der Neffe stützte sich müde auf die Handgriffe. Durch die zerstörte Glastür pfiff der Wind, unter den Rädern und Schuhen knirschten Scherben.
    Gegen eins begann Adamek mit den Aufräumarbeiten, Ehringer hielt die Mülltüte und ließ nicht locker.
    Du könntest ein paar Tage Urlaub nehmen. Ich bezahle alles.
    Kommt nicht in Frage.
    Kommt nicht in Frage? Was soll das heißen?
    Wenn ich es tue, dann offiziell, mit der Bitte um Ermittlungshilfe durch die Rottweiler.
    Ein Test natürlich, er vertraute dem Onkel nicht. Auf allen vieren kniend, Schaufel und Besen in den Händen, musterte er ihn.
    Von mir aus.
    Und du musst wegen der Wanze Anzeige erstatten.
    Gut, gut, wie du meinst. Hauptsache, du kümmerst dich.
    Vielleicht, dachte Adamek jetzt, während der Zug noch immer stand, hatte der Morgenmantel seine letzten Widerstände gebrochen. Ein Mantel mit spanischem Etikett aus einem Geschäft mit Adresse in Sevilla. Er musste zwanzig Jahre alt sein.
    Verdiente Pause vom Politbetrieb in einem aufreibenden Jahr. Jetzt gönnen sie sich zwei Wochen Andalusien.
    Er konnte nur ahnen, was Richard Ehringer mit dem zerfallenden Kleidungsstück verband.
    Hm … nach Rottweil?, fragte Karolin, als er um zwei endlich zu Hause war. Rottweil wie die Rottweiler?, fragte seine Chefin um sieben im Büro. Und warum fliegst du nicht?, fragte Daniela Schneider kurz darauf am Telefon. Hasch Flugangsch?
    Blödsinn. Das Becken klemmte und wollte nicht für eine Stunde zwischen Sitzlehnen eingezwängt verbringen.
    Um Viertel nach acht hatte Adamek den Zug bestiegen, seine Wanderung nach Stuttgart aufgenommen.
    Endlich fuhren sie weiter,

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