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Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Titel: Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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Serben brauchen, Tommy. Gibt was zu besprechen, und wir wollen nicht, dass es die Falschen hören.«
    »Wir?«
    »Ich und Josip Vrdoljak und die anderen.«
    Thomas hatte keine Ahnung, wovon Bran sprach. Josip war das Zentrum des kroatischen Widerstandes im südlichen Baden-Württemberg und saß mittlerweile beinahe täglich im Granada, und doch schien Thomas nicht alle Geheimnisse zu kennen.
    Er hob das Glas, bekam nachgeschenkt. » Živjeli, Bran, pass auf, dass sie dir kein Loch in den Arsch schießen, dick genug ist er ja.« Er stürzte den Rakija hinunter. Er sah ein weißes Auto durch eine bergige Landschaft fahren, dahinter lag das Meer, es war ein schöner Anblick.
    »Wie geht’s dem Dingsda?«, fragte Bran. »Dem Mägges?«
    »Ist noch in der Reha.«
    »Man muss mit einem Beinbruch in die Reha?«
    »War ein dreifacher Bruch.«
    Bran schüttelte sich. »Ich geh lieber in den Krieg als in die Reha.« Er kicherte. »Jemand hat gesagt, du hast seinen Vater verprügelt.«
    »Er war zu besoffen, um zu helfen.«
    »Aber nicht zu besoffen, um verprügelt zu werden.«
    Sie grinsten, Bran schenkte nach. » Živjeli, du Sack.«
    Sie tranken.
    »Komm«, sagte Bran.
    Sie gingen zu Josip, der sich mit Thomas’ Vater und anderen HDZ -Leuten abseits versammelt hatte. Weitere Aktivisten erhoben sich wie auf ein geheimes Zeichen von den Bierbänken und kamen in ihre Richtung. Auch ein paar Ustaschenenkel waren darunter, mehrere Frauen und ein Priester der kroatischen katholischen Mission Rottweils.
    »Und Milo?«
    Bran schüttelte den Kopf.
    Josip empfing sie mit einem Lächeln, in seinen Augen schimmerten Tränen. Er streckte die Hände aus, ergriff die Brans. »Mein Junge, du bist der Erste von uns, der geht, dir gebührt großer Respekt, du machst deinem Namen alle Ehre, du bist ein wahrer ›Beschützer‹!«
    Er küsste ihn auf die Wangen. »Vor fünfzig Jahren haben die Tschetniks unseren Leuten die Kehle aufgeschlitzt, unsere Frauen vergewaltigt, unsere Kinder verbrannt oder verhungern lassen. Jetzt tun sie es wieder, und ich kann wieder nur zusehen! Damals war ich zu jung, um zu kämpfen, die Partisanen wollten es nicht, sie wollten, dass ich für sie koche, ich weiß nicht, warum, ich war der schlechteste Koch der Welt. Heute bin ich zu alt, ich sehe nicht mehr richtig, ich höre nicht mehr gut, ich habe Verstopfung, sonst würde ich mit dir runterfahren, Bran, mein Sohn, glaub mir. Damals haben die Älteren an meiner Stelle gekämpft, heute kämpft ihr Jungen an meiner Stelle, und dafür bedanke ich mich, es ist mir eine Ehre …«
    Alle schlugen Bran auf die Schulter, umarmten und küssten ihn. Thomas reichte ihm die Hand, Bran zog ihn an sich. Er roch nach Bier und Schnaps und schon ein wenig nach Krieg.
    »Du warst doch mal in sie verknallt«, sagte Thomas und spürte, dass ihm der Rakija die Zunge schwer gemacht hatte.
    »Man wird älter und klüger«, sagte Bran.
    Thomas’ Vater legte ihm die Hände auf die mächtigen Wangen und sagte, wie gern er zusätzlich zu den beiden halben einen ganzen Kroaten zum Sohn hätte. Die Ustaschenjungen machten Vorschläge, was Bran mit den Serbinnen anstellen solle, die er gefangennehmen werde. Einer der HDZ -Vorsitzenden trug ihm eine Botschaft für die Partei in Osijek auf. »Du brauchst gute Schuhe«, sagte ein Landwirt. »Regnet viel in Slawonien.«
    Sie stießen auf Bran, seine Braut, seinen Golf an, auf die Rettung der Heimat, die Heimat selbst und wieder auf Bran.
    »Ich wollte dir meinen Srbosjek mitbringen«, sagte ein alter Mann aus Split, »aber ich hab ihn nicht gefunden, hab ihn zu gut versteckt vor den Nachbarn, die sind aus Belgrad.«
    Alle lachten.
    »Bran«, sagte Josip, »fahr über Ungarn, nicht über Slowenien.«
    »Ungarn? Ist das nicht ganz woanders?«
    »Nein, es liegt gleich auf der anderen Seite der Drau.«
    Josip hob die Hände horizontal übereinander, zeigte: Kroatien die untere, Ungarn die obere, und Thomas dachte, wie sehr Jugoslawien Josips Hände geworden war, mit Hilfe dieser riesigen arthritischen Hände verstand man eigentlich fast alles.
    »Über Ungarn zu fahren ist sowieso sicherer, in Slowenien kontrollieren sie dich vielleicht. In Pécs bekommst du dann die Waffen, vier Kalaschnikows und ein paar Pistolen. Pécs, kannst du dir das merken?« Josip buchstabierte es.
    »Pécs«, wiederholte Bran.
    »Die Telefonnummer weißt du auswendig?«
    Bran nickte und tippte sich an die Stirn.
    »Sag sie mir ins Ohr.«
    Bran gehorchte. Es dauerte

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