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Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Titel: Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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Pistole.
    Er schlug die Augen auf.
    Ein Schemen über ihm, das Gesicht im Dunkeln.
    Rechts bewegte sich ein zweiter Mann, der über Jelena stand. Für einen Moment glänzte die Waffe an ihrer Schläfe matt im Schein der Straßenlaterne, der Lauf verlängert durch einen Schalldämpfer.
    »Dobro jutro, Kapetane.« Der Schemen brachte den Kopf näher, sodass er das Gesicht erkannte.
    »Saša«, flüsterte er.
    Jelenas Hand, die unter der Decke nach seiner griff. Er umschloss sie fest.
    Sie hatte recht behalten. Eines Tages werden sie kommen, Tommy. Er hatte sie nicht ernst genommen. Jelena, die überall Gefahren sah …
    Sie hatten alle Spuren getilgt, unter einem neuen Namen gelebt, sich einen bosnischen Akzent antrainiert, niemanden eingeweiht. Nur drei Menschen von damals wussten, wo sie lebten, Milo, der Vater, Markus, und die würden nicht reden.
    Dann Milos Anruf am gestrigen Abend – Markus’ Scheune in die Luft gesprengt, Kroaten, die sich nach ihnen erkundigt hatten. Verschwindet für eine Weile!, hatte Milo gedrängt.
    Aber Thomas war bequem geworden, hatte sich im Leben Ajdins eingerichtet, die neuen Zwänge über die alten gestellt – Lilly und die Schule, Jelena und das Büro, er selbst und die Firma, da konnte man nicht von einem Tag auf den anderen verschwinden, weil sechshundert Kilometer südlich die Geister der Vergangenheit aufgetaucht waren.
    Er schloss die Augen, öffnete sie wieder. Auf Kroatisch sagte er: »Es ist … so lange her, Saša. Fünfzehn Jahre. Der Krieg ist vorbei.«
    »Nicht für uns.«
    »Keiner wird reden. Zadolje ist vergessen.«
    »Jemand in Zagreb ist auf Zadolje gestoßen, Kapetane . Es gibt ein Foto von dir.«
    »Wer?«
    »Eine deutsche Journalistin. Früher oder später hätte sie dich gefunden. Dann hättest du geredet.«
    Bedächtig schüttelte Thomas den Kopf. Die Mündung an seinem Kopf bewegte sich mit. »Nein.« Er wusste, dass dies Jordan nicht genügen würde.
    »Wir haben keine Zeit zum Diskutieren, Saša«, sagte der zweite Mann.
    Jelena kroch mit einem heiseren Ächzen in seine Arme, ihre Hände auf seinen Wangen, ihre Stirn an seinem Mund, dann glitt eine Hand nach oben, und er spürte, wie sie den Lauf der Waffe an seinem Kopf beinahe zärtlich zur Seite schob.
    »Nicht meine Frau und meine Tochter«, flüsterte er.
    »Deine Tochter wird leben«, sagte Jordan.
    Jelenas Lippen berührten seine, und er drückte sie an sich und dachte, dass er nicht ohne sie gehen wollte, auch nicht im Tod ohne sie sein wollte, schon gar nicht im Tod …
    Er hasste sich dafür.
    »Nicht meine Frau, Saša … sie hat euch nichts getan.«
    »Sie ist aus Vukovar, die Eltern sind aus Borovo Selo. Du erinnerst dich an Vukovar und Borovo Selo, Kapetane? «
    »Wegen Vukovar bin ich in den Krieg gegangen.«
    »Eine gute Entscheidung. Später hast du eine schlechte Entscheidung getroffen.«
    »Jelena hat damit nichts zu tun. Sie …«
    Der zweite Mann war auf seine Seite des Bettes zu Jordan getreten. Thomas kannte auch ihn aus Zadolje, doch der Name fiel ihm nicht ein.
    »Machen wir ein Ende.«
    Jordan nickte. »Zbogom, Kapetane.«
    Leb wohl.
    »Ne … molim …«, schluchzte Jelena.
    Thomas versuchte, sie von sich zu schieben, aber sie klammerte sich an ihn. »Lasst sie, Saša, bitte …«
    Die Mündung bohrte sich wieder in seine Stirn. Auch der zweite Mann hob die Waffe.
    Da klingelte dicht neben ihm das Telefon.
    Der Anrufbeantworter sprang an, Lillys Stimme sagte: »Ich und Mama und Papa sind nicht da. Wenn du was sagen willst, kannst du das machen, und dann rufen wir dich später an. Piiiiep.«
    »Tommy, sie haben den Mägges umgebracht!«, rief Milo.
    Eine andere Männerstimme, tief und streng: »Lorenz Adamek, Kripo Berlin. Wir müssen davon ausgehen, dass Markus Bachmeier verraten hat, wo Sie sich befinden, und dass Sie in Gefahr sind …«
    Draußen war eine Sirene zu hören, dann eine weitere.
    Die ferne Stimme sagte, vier Minuten, dann seien Einsatzkräfte bei ihnen, und er dachte, vier Minuten, was für eine bizarre Zeitspanne, so gering und doch zu lang.
    Erneut ein metallisches Klicken, ein Wort aus der kalten Sprache des Krieges, an die er sich nie hatte gewöhnen können, obwohl er sie 1991 in Kroatien gelernt hatte. Auch die Waffe über Jelenas Hinterkopf war nun bereit, und er hörte sich sagen, tötet mich zuerst, Saša, ich will nicht eine Sekunde ohne sie leben, mich zuerst, bitte, doch vielleicht dachte er es auch nur, während er sie in den Armen hielt, ihren

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