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Der Kalte

Der Kalte

Titel: Der Kalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Schindel
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dich:
    Nimm meinen Zweifel nicht als Tritt nach deinem Stolz,
    nur als die Sorge um die eigne Sicherheit … «
    »Klar«, sprach Dünster, »da könnt ein jeder aus Schottland daherkommen und sich dem Malcolm anbieten im Kampf gegen Macbeth. Auch ein Spion von dem.«
    »So stehts da«, sagte Fraul und lächelte.
    » Vielleicht bist du ja wirklich ehrlich,
    was immer ich auch denk von dir .« Scherfele sprudelte das herunter, hob den Kopf und sah die beiden Schauspieler eindringlich an:
    »Dann sagt der Macduff, dass er kein Dreckskerl sei und dem Macbeth nicht dienen wird und so fort. Dann aber kommt der Test von Fraul, dass er boshafter ist als Macbeth und geiler und habgieriger. Ich will, dass du das so zeigst, dass nicht nur der Dünster dir glaubt, sondern auch das Publikum annimmt, du sprichst ein wirkliches Wesen von dir an. Wir alle sind zur Grausamkeit, zum Machtmissbrauch, zur Diktatur bereit in uns. Indem nun der junge Malcolm so tut, als wäre er ärger als Macbeth, wenn er dann an der Macht sein wird als Nachfolger seines so edlen und guten Vaters Duncan, so sollen wir wissen, dass das die Conditio inhumana schlechthin ist. Versteht ihr?«
    »Dann bin ich aber im Schlussteil eine Art Tartuffe«, sagte Fraul langsam.
    »Wie?« Scherfele war irritiert.
    »Na schau. Am Schluss sagte er von sich, er sei ohne Fehl und Tadel. Wie heißts?« Fraul nahm Scherfele den Text aus der Hand. »Ich kanns eh auch so«, murmelte er und schob den Text weg, stellte sich auf und begann in den Dünster hineinzureden:
    » Macduff, dein großer Schmerz, ein Kind des Anstands,
    nimmt mir das schwarze Misstraun aus dem Herz
    und überzeugt mich davon, dass du ehrlich bist
    und ohne Schuld. bla bla bla und ich nehme alles,
    was ich gesagt, zurück; die Bosheit, der ich mich
    bezichtigte, ist mir ganz fremd. Bis heut
    hab ich noch niemals eine Frau gekannt,
    nie einen falschen Eid geschworen, fast nie
    begehrt  – da sagt er wenigstens: fast –, was mir gehört, noch nie mein Wort
    gebrochen: Ich würd den Teufel nicht verraten
    an seinen Freund und lieb die Wahrheit
    wie das Leben: Die Lüge über mich
    war meine erste. «
    Dünster unterbrach ihn:
    »Tja, Karl, das glaubt dir allerdings niemand, auch nicht der fromme Macduff.«
    »Hör auf.« Ungewöhnlich scharf fuhr Scherfele dazwischen. Er nahm den Text wieder an sich, fuhr mit dem Finger aufwärts. »Da«, rief er. »Wo du bla bla gesagt hast, ist der Grund, warum Malcolm in seiner Gutheit glaubhaft sein kann. Ich zitiere:
    Der Teufel Macbeth hat versucht
    mich oft mit Tricks. In seinen Würgegriff
    wollt er mich haben. Nur Kälte schützte mich
    vor allzugroßer Hast . Verstehst du, Fraul? In einer Art Gefühlskälte war der Königssohn, vielleicht im Gegensatz
zum jüngeren Bruder Donalbain, wie in einem Kokon eingesponnen, er ist ein Guter aus Selbstschutz, weil er gar keine Gefühle investiert, sondern alles nur registriert. Das Ungeheuerlichste ist ihm bloß ein Sachverhalt, weiter nichts. Er ist ein Parsifal, aber gefühlskalt, abwägend, im Schatten seines grundgütigen Vaters Duncan, dem er zwar nacheifert, der er aber nicht sein kann. Deswegen beschreibt er sich als guten Menschen und glaubt daran.«
    Fraul machte eine heftige Abwehrbewegung gegen Scherfele, zeigte ihm beide Handflächen und wollte erwidern, aber ein Hustenanfall hinderte ihn. Schließlich sagte er ruhig:
    »Der wohlbehütete Königssohn und Erbe ein Gefühlskalter? Warum sollte er das sein? Das ist doch so.« Und Fraul griff sich mit der linken Hand über Kopf aufs rechte Ohr.
    »Das ist sein Panzer«, erwiderte Scherfele ruhig. »Ein Kokon, wie ich schon gesagt hab. Dadurch wird beides wahr. Das Miese, das Edle, beides in Malcolm glaubhaft, wenn –«
    »Jaja, wenn ichs bring, jaja.« Fraul wandte sich von den beiden ab. Dietger Schönn kam herein, begrüßte den Scherfele flüchtig.
    »Ich muss gleich wieder weg. Besprecht ihr die Vierdreier?« Sie nickten.
    »Da ist ein Strich, den ich mit dir noch nicht besprochen habe: der Arzt wird rausgeschmissen. Den brauch ich nicht. Macduff hört auf mit: so Wünschenswertes und Unwünschenswertes schwer unterm Hut und fährt dann gleich fort mit: s eht, wer da kommt, und Rosse tritt auf. Bis später.« Und Schönn enteilte, bevor jemand etwas sagen konnte. Es wurde still in der Kantine. Fraul holte sich den Text. »Aha, die Passage über die Heilkraft des englischen Königs hat er mir weggenommen. Pfeif drauf.«
    Dünster ließ sich auf einen

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