Der Kalte
Stoff ein. Spaßeshalber begann ich die beiden Dinger zu verquicken, und seitdem saß ich teils in Hamburg, teils in Wien an dem Zeug und hatte bereits vergessen, wie ein Gedicht zu schreiben sei.
»Könntest du dir nicht einmal den Fraul vorknöpfen«, sagte Apolloner. »Auf dich hört er.«
»Hängt er noch immer im Pick Up herum?«
»Telefon hat er auch eins.«
Warum nicht, dachte ich mir. Mir schwebte in meinem Projekt eh so ein Typ wie Karl vor. Ich beschloss, ihn bissl abzuklopfen. Ich rief ihn an. Er freute sich. Ich bestellte ihn in die Meierei. Als er kam, wartete ich schon beim Ausgang.
»Gehen wir ein Stück.«
Er nickte und begann neben mir herzutrotten.
Katharina Dronte ging das Bild der beiden zusammengebrochenen Männer nicht aus dem Kopf. Peter Adel erholte sich schnell, es schien so, als sei überhaupt nichts mit ihm geschehen. Er ließ sich in der Herrengasse von Frau und Stieftochter verwöhnen, telefonierte einige Mal mit Zoltán Nemecsek und fuhr schließlich mit Margot nach Hamburg zurück. Den Sommer verbrachte er in London und hernach in Cornwall, wo sie ein kleines Landhaus von Freunden gemietet hatten. Mitte August kam Katharina von Hamburg wieder nach Wien in die Herrengasse für die Wiederaufnahmeproben der Phädra.
Sie ging abends mehrmals ins Pick Up, zumeist mit Bastian
Gruber, der sich wunderte, was die von ihm Angebetete in diesem Beisl wollte, wo weder er noch sie jemanden kannte. Bastian versuchte auf verschiedene Arten, die freundschaftliche Distanz zwischen sich und Katharina zu vermindern, aber sie blieb für ihn unnahbar. Er eröffnete ihr, dass er verzweifelt in sie verliebt sei.
»Mach keine Witze«, sagte sie. Sie standen an der zweiten Bar, und Katharina sah immer wieder an Bastians Rücken vorbei zum vorderen Raum. Karl Fraul ließ sich nicht blicken.
Hirschfeld und Katz kamen herein, Emanuel setzte sich sofort hinten an einen Nischentisch. Paul kam neben Katharina zu stehen. Während er auf seinen Wein wartete, beobachtete er die Frau neben sich aus den Augenwinkeln.
»Entschuldigen Sie«, sagte er und wandte sich mehr an Gruber als an Dronte, »Sie kommen mir beide bekannt vor, ich kriegs nicht raus.« Gruber zog eine Grimasse.
»Gehen Sie bisweilen ins Theater?«
»Das nicht. Außer mein Freund Fraul spielt. Ich heiße Hirschfeld.«
»Dann haben Sie Fraul und mich in der Phädra gesehen«, sagte Katharina und gab ihm die Hand.
»Und mich in Macbeth.« Bastian Gruber deutete eine Verbeugung an.
»Sicher«, sagte Hirschfeld, nickte und ging mit seinem Glas zu Emanuel. Kaum hatte er sich hingesetzt, stand Katharina vor ihm.
»Wenn Sie ein Freund von Karl sind … Wie geht es ihm?«
»Jetzt? Weiß nicht. Ich war länger nicht in Wien. Bin soeben von Hamburg gekommen.«
»Sie auch? Aha. Ich suche ihn.«
»Er hat Telefon.«
»Gib ihr doch Karls Nummer«, sagte Emanuel.
»Die habe ich ohnedies. Danke. Außerdem sehe ich ihn nächstens auf der Probe. Schönen Abend.« Katharina ging zu Gruber zurück, der ihr verdrossen entgegenblickte.
Am folgenden Tag rief sie Karl Fraul an.
»Ich wollte nur wissen, wie es dir geht. Ich bin aus Hamburg zurück.«
»Wusste gar nicht, dass du dort warst.«
»Wie gehts dir?«
»Super. Du hast mich ja erlebt. Und selber?«
»Wollen wir uns treffen?«
»Wir sehen uns nächsten Montag bei der Probe, oder?«
»Karl, es ist so schönes Wetter. Wollen wir nicht wo rausfahren?«
Karl schwieg und atmete in den Hörer. Er sah sich mit Plastiksackerln in den Lainzer Tiergarten hineinlaufen. Margit saß auf der Bank und wartete lächelnd auf ihn. Er hatte keine Puste mehr, schmiss sich neben sie hin, und sie umarmte ihn, er rang nach Luft.
»Okay«, sagte Fraul.
Er ging mit Katharina durchs Lainzer Tor, an der Hermesvilla vorüber und weiter und weiter, bis zu der Wiese, wo er einst die Parasole gefunden hatte. Sie setzten sich auf jene Bank. Karl begann von Margit zu erzählen. Als er ihr berichtete, sie seien damals auf dieser Bank gesessen, es war der Vortag der Proben zu Macbeth, schloss sie ihm mit einem Kuss den Mund. Sie blieben lange sitzen, die ersten Blätter fielen von den Bäumen.
Wir gingen einige Schritte auf der Hauptallee Richtung Lusthaus. Ich betrachtete Karl unauffällig von der Seite. Er tat so, als bemerkte er es nicht.
»Es herbstelt bereits«, sagte ich. »Wird von Jahr zu Jahr früher.«
»Wie war es in Hamburg?«, fragte er.
»Verlagsgeschichten. Von Hamburg habe ich nie viel. Ein
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