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Der Kalte

Der Kalte

Titel: Der Kalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Schindel
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September für eine Woche nach Wien. Supersuper. Gestern hätt ich dem Tschurtschi nach dem Film im Café Billroth fast von Helly erzählt, ich Trottel. Der hätts prompt der Dolly gesagt, wie ich den Neidhammel kenn.
    Es muss aufhören. Morgen erste Probe Deutsches Requiem im Musikverein. »Die mit Tänen säen, werden mit Freuden ernten.« Jaja.
    26.
    Roman Apolloner hielt mich auf dem Laufenden, was Karl Frauls Krise betraf. Der Kerl kam von einer Malaise in die nächste. Die Selbstverhaderungen wegen Margit Keyntz dauerten ungewöhnlich lang. Dass er jetzt auf der Bühne nicht in eine eher simple Rolle hineinkomme, so Roman, habe seiner Meinung nach weniger mit Margits Tod als mit seinem heimlichen Geniebegriff zu tun, der am Panzer seines an ihm uninteressierten Vaters abpralle. Jene Rolle sei nur der Anlass.
    Ich war in den letzten Monaten mehr in Hamburg als in Wien gewesen. Erst Besprechungen mit dem Verlag. Maier-Loschewitz lud mich am Abend vor meiner Abreise
ins Filmhauscafé in der Friedensallee zum Abendessen ein.
    »Wie wärs«, sagte er, »wenn der Lyriker Paul Hirschfeld nunmehr die kleine Novelle zu einer großen macht, einer umfänglicheren?«
    »Sie meinen«, sagte ich grob, »ich solle sie zu einem Roman aufblasen?«
    Maier-Loschewitz nestelte an seiner Krawatte.
    »Ihre Krawatte sitzt tadellos«, fuhr ich ihn an. »Kommt der Wunsch von ganz oben?«
    »Ich finde, Sie hätten durchaus das Zeug zum Romancier«, sagte Maier-Loschewitz. »Ich will Ihnen aber nicht verhehlen, dass der Verlag nicht ganz unglücklich wäre, mit Paul Hirschfeld gelegentlich auch ein bisschen Geld zu verdienen.«
    »Na bravo«, sagte ich und steckte mir eine Zigarette an. »Habt ihr nicht genug Bestsellerautoren? Die Consuelo Abrigas bringt euch doch Kohle genug, sodass ihr vielleicht ein paar Lyriker aushalten könnt, ohne mit dem Hut in der Hand –«
    »Ehrlich gestanden, Herr Hirschfeld«, »ich würde diesen Wunsch des Hauses nicht weitertragen, wenn ich nicht überzeugt wäre, dass Sie eine wunderbare Prosa schreiben können. Sie wäre von Ihrer Lyrik durchzogen, hätte sprachlich was Funkelndes, und –«
    »Ach hören Sie auf, mich mit Honigkuchen zu füttern«, unterbrach ich ihn. »Ich glaube Ihnen aufs Wort, dass Sie meinen, was Sie sagen. Unglücklicherweise gehört zum Romanschreiben nicht Ihr Glaube an mich, sondern mein eigner.«
    Maier-Loschewitz lächelte. Wir aßen das Menü, ich begann mit dem Weintrinken, Maier-Loschewitz begnügte sich mit Wasser. Er verabschiedete sich und ging, ich blieb sitzen. Ein Filmemacher, dessen Vater ein berühmter Psychoanaly
tiker war und sich naturgemäß mit seinem Sohn überworfen hatte, kam hereingetaumelt, am Arm eine Frau, die Mühe hatte, ihn auf den Beinen zu halten, und die sich gleichzeitig umschaute, ob sie wen finden könnte, der ihr den Kerl abnähme. Ihr Blick fiel auf mich. Sie kamen auf mich zu.
    »Ist da nicht Ludwig Maier-Loschewitz von Ihrem Tisch aufgestanden und gegangen?«
    »Das ist korrekt«, sagte ich.
    »Ich bin Karin. Das da ist Günterchen …«
    »… Wunderlich«, ergänzte ich. »Ich kenne ihn. Bitte setzen.«
    Wir tranken die Nacht durch. Günter Wunderlich konnte nach einem Sitzschläfchen wieder ordentlich zulangen. Gegen vier brachten wir ihn heim, das war nicht weit und noch in Altona.
    »Ich aber«, murmelte Karin, »habe keine Lust heimzugehen.«
    »Wer täte dort auf dich warten?«
    »Nicht einmal eine Katze«, sagte sie.
    Nächsten Tag versäumte ich den Flug nach Wien. Ich hatte drei intensive und anstrengende Tage mit der Cutterin, die übrigens auch Loschewitz hieß, weil sie eine entfernte Kusine meines Lektors war. Sie setzte, als wäre sie bei dem Gespräch dabei gewesen, Maier-Loschewitz' Bemühungen fort, mich zum Romanschreiben zu überreden. Ich hatte ihr nach der ersten Nacht, wie ichs gern tat, Gedichte von mir vorgelesen, und zwar nicht nur nach dem Frühstück, sondern auch nach dem Mittagessen und nächtens. Ich war ein wenig geschmeichelt, weil sie von den Gedichten angetan war, ich war sehr geschmeichelt, weil sie von mir angetan war. Kurzum, das Ganze hätte sich ausgeweitet, doch sie musste nach Paris und einen Dokumentarfilm schneiden, und ich fuhr nach Wien zurück.
    Wir telefonierten ständig, wir schrieben uns, nach zwei Wochen war ich wieder in Hamburg. Schließlich begann ich dort, meine Novelle herzunehmen und auf Möglichkeiten, sie zu erweitern, abzusuchen. Dabei fiel mir ein vor langer Zeit verworfener

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