Der Kalte
tremolierenden Stimme erkannte Habitzl, dass es seinem Kunstdirigenten unangenehm war, vor den anderen Strategieabhandlungen zu halten. Er unterbrach ihn, bat ihn, nach der Unterredung zu bleiben. Als die anderen entlassen waren, setzte sich Habitzl in den Fauteuil, in dem er sich gewöhnlich entspannte, und hörte zu, was Wendelin Katzenbeißer in den vergangenen Tagen und Wochen geknüpft, gewoben, gestrickt hatte.
»Ich war in der Premiere vom neuen Stück von Veit Obertschatscher«, begann Katzenbeißer. »Bei der Feier da
nach habe ich ihn erwischt. Veit begrüßt alle Aktivitäten zum Bedenkjahr, hält sie auch wegen Wais für wichtig, er selbst ließ allerdings seine sattsam bekannte Bescheidenheit heraushängen. Er habe keine Idee, es gebe doch bessere und so fort. Zu einem Stückauftrag fürs Tiroler Landestheater, das wir und nicht das Land Tirol veranlassen sollten, sagte er nicht nein.«
»Wieso ohne Tirol?« Habitzl zog die Augenbrauen hoch.
»Ich schlage vor, wir gehen auf Nummer Sicher. Wer weiß, was dem Tiroler Landeshauptmann alles einfällt, um das Projekt zu hintertreiben.«
»Hm. Sie haben recht.«
»In der Burg ist ausreichend im Busch. Bei der Wiederaufnahme von Macbeth soll Gaspari eine aktuelle Pförtnerszene geschrieben haben, die sich mit unserem Bundespräsidenten beschäftigt.«
»Alter Hut! War das nicht schon?«
»Sie ist noch nicht zur Aufführung gekommen. Gaspari ist sauer, weil er sie so schnell schreiben sollte. Jetzt tät er sich freuen, wenn sie nun endlich eingefügt wird, ich glaub, er hat sie sogar nochmals aktualisiert.« Habitzl erhob sich, stellte sich auf die Zehenspitzen.
»Ich möchte den Gaspari bei mir haben«, sagte er langsam. »Natürlich in staatsferner Gebotenheit, wie es so manche Künstler wünschen, aber doch uns umgehend dahin unterstützend, dass wir jetzt das Land sind, das weiß, was war, und daraus folgert, was künftig niemals zu geschehen hat, sondern was wirklich zum Wohle aller wird.«
»Sie meinen, Gaspari sollte nicht direkt auf den Bundespräsidenten zielen?«
»Es macht keinen schlanken Fuß, wenn ich als Kanzler den Präsidenten attackieren lasse. Ich vertrete ihn lieber.« Er lächelte schwach. »Weiter.«
»Also auf dem Gebiet der Literatur müsste noch einiges geschehen. Muthesius hat einen Stückauftrag von Schönn, da gibts für uns nichts zu tun, da ist der Deckel drauf.«
»Der Schönn soll tun, was er tut.« Habitzls Lächeln war einer vagen Mürrischkeit gewichen. Katzenbeißer wusste, wie wenig Schönn dem Kanzler zupass kam mit seiner krawallistischen Art, in der Burg herumzufuhrwerken. Auch für Habitzl war die Burg ein österreichisches Heiligtum, das von dem Rheinländer sukzessive umfunktioniert wurde und nun als Lautsprecher für Politsprech auf unterschiedlichem Niveau fungierte. Katzenbeißer hatte dazu keine Meinung, er trennte den Burgkomplex einfach vom unter Kanzlerhoheit stehenden Bedenkjahrkomplex ab, aber so, dass es möglichst nicht auffiel.
»Wir sollten aus dem Spezialfond Mittel bereitstellen, damit ein breiter Fächer von literarischen Aktivitäten ausgebreitet werden kann«, sagte er. »Ich suche noch eine Art Kurator, der das koordiniert und uns wissen lässt, was geschieht.« Habitzl nickte. Nachher wandte sich Katzenbeißer den anderen Künsten zu, um sie in die Bedenkjahrkultur einzupassen. Dem Kanzler wurden seine Lider schwer. Katzenbeißer unterbrach und sorgte für Kaffee.
Tschonkovits hatte in den letzten Wochen vergebens versucht, bei Isaac Maxmann Einlass zu finden. Er wurde nicht mehr empfangen. Der Sommer neunzehnsiebenundachtzig in New York war schwül, und der Smog der Stadt umschmiegte den zur Untätigkeit verurteilten Tschonkovits, so empfand er es. Er zog zweimal um, schließlich aus Manhattan ins billigere Brooklyn und besah dann melancholisch von Brooklyn Heights die drübere Skyline. Jeden Mittag aß er bei der Polin in der Montague Street, spürte körperlich, wie seine Ersparnisse zusammenschrumpften. Auch seine
Versuche, in Wien irgendwelche Kontakte zu halten, und seien es wenig erhebliche, scheiterten. Es schien so, dass Tschonkovits sich vom Zauberer in einen Zauderer und Versager verwandelt hatte. Verzweifelt rief er schließlich doch beim Exkanzler Marits an, bekam dessen Frau ans Telefon. Er schilderte ihr anfangs stockend, hernach aber sprudelnd seine Situation. Thea Marits hörte sich alles geduldig an, bedeutete ihm hernach, sie könne auch nichts machen. Er sei
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