Der Kalte
gestern gewesen. Seine letzte Partie, Vater Germont, einige Tage vor seinem Verscheiden. Es war herrlich. Haben Sie ihn oft gehört?«
Ich nickte wiederum. »Schönen Sonntag«, sagte ich und ging fort und den Weg auf die Kirche hin, setzte mich auf eine Bank und ließ die Leute vorüberziehen. Obwohl ich mich im Mittelpunkt eines Einsamkeitsquaders befand, wollten sich Tränen nicht einstellen.
18.
Edmund Fraul saß müde im Lehnstuhl vorm Fernseher, atmete tief ein und aus, denn das Abendessen war ihm ungewöhnlich hart in den Magen gefallen, lag dort schwer und
raumfordernd, presste saure Luft durch den Kehlkopf herauf, sodass Edmund abwechselnd rülpsen und schlucken musste. Rosa, die im rechten Winkel auf dem Sofa sich etwas ausstrecken wollte, denn nach dem Essen war sie sehr müde geworden, richtete sich auf, schaute Edmund auf den zuckenden Mund, erhob sich und eilte ins Bad, um dort Soda zu holen, in Wasser aufzulösen und ihm zu bringen. Er dankte ihr mit einem Kopfnicken und indem er die Augenbrauen hochzog. Sie nahm wieder Platz, es war kurz vor halb acht, sie schaltete den Fernseher ein. Ein heller Sonntag sollte nun allmählich ausklingen.
Das Ehepaar Fraul hatte heute auf Rosas Betreiben einen Ausflug in den Wienerwald unternommen. Es war so schönes Wetter gewesen. Sie machte gleich nach dem Frühstück die Wohnung fertig, ging zum Kleiderschrank, um Edmund den Mantel zu holen und aufzuhalten. Schweigend kämpfte er sich hinein, band sich noch den Gürtel, und die beiden gingen hinunter und über die Brücke zur Tramway. In Neuwaldegg stiegen sie aus, gingen die endlose Schwarzenbergallee entlang und begannen hernach das Hameau hinaufzuwandern. Es waren viele Menschen unterwegs, als würden alle denken, wer weiß wie viele schöne Tage ihnen heuer und überhaupt noch beschieden waren. Die Leute marschierten größtenteils schneller als das Ehepaar, überholten sie links und rechts, sodass Edmund die jeweilig entspannten Gesichter im Profil beobachten konnte.
Allesamt gehen sie zufrieden mit sich im Wienerwald spazieren, die Wiener, dachte Fraul, als ein etwas feister Herr mit schmalkrempigem, für den massigen Kopf zu kleinem Hut an ihm und Rosa vorüberzog. Obwohl dieser anscheinend überrüstige Pensionist keine Ähnlichkeit mit dem Turnlehrer Wolfsgang hatte, der auch dreißig Jahre jünger
dem Fraul vor Augen stand, war Harald Wolfsgang nun neben Edmund erschienen und trottete unhörbar für Rosa neben den beiden her.
»Na, Ederl, Krüppelgspiel«, meckerte es aus Wolfsgang heraus, »sind wir wieder tüchtig unterwegs in unseren Wäldern? Hast dir eine Jüderne gefunden und führst sie im Wienerwald äußerln? Bravo, bravo. Dazu haben wir eine Generation anständiger Menschen, eine gesunde Jugend hingegeben und geopfert, damit du da mit denen unverdrossen, als sei nix passiert, herumspazierst. Großartig. Das muss man denen lassen, zäh sind die, obwohl sie vor genbedingter Lüsternheit nicht imstande sind, einen Felgaufschwung korrekt hinzukriegen, von Ausnahmen mal abgesehen. Haha, war nur ein Witz, die sind ja von unsereiner so durchdrungen inzwischen, dass man sie gar nicht mehr unterscheiden kann. Und heutzutage, wer traut sich schon, sich von denen zu unterscheiden. Neben dir, Ederl, Krüppelgspiel, schreitet eine Siegerin.«
Edmund schüttelte den Kopf, Rosa sah es, schaute prüfend zu ihm hinauf.
Nach anderthalb Stunden waren sie am Häuserl am Roan angekommen, aßen und brachen wieder auf. Der Rückweg bis zur Linie dreiundvierzig in Neuwaldegg zog sich ab der Geroldgasse hin. Rosa begann zu schnaufen, obwohl es bergab ging, öfters blieb sie zurück. Edmund wartete und sagte ihr, dass sie nun zum Popper muss, beim nächsten Mal, dass sie morgen einen Termin beim Popper ausmachen soll. Als sie das dritte Mal stehen blieb, sie waren allerdings schon in der Schwarzenbergallee, sah er sich gleichmütig sowohl nach einem Taxi um, obwohl dort kein Autoverkehr war, als auch nach einer Telefonzelle, die es dort noch nie gegeben hat. Im Dreiundvierziger lächelte sie ihn an und sagte:
»Morgen mache ich einen Termin beim Popper.«
»Ich danke dir.« Rosa legte ihren Arm um seine Schultern, und sie fuhren heim.
Nachdem Edmund ausgerülpst hatte, konzentrierte er sich auf die Nachrichten im Fernsehen. Rosa war in die Küche gegangen, da rief er sie bereits, um ihr mitzuteilen, dass sein Hautarzt Präsidentschaftskandidat der Sozialdemokraten sei.
»Das wissen wir doch schon längst«,
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