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Der Kalte

Der Kalte

Titel: Der Kalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Schindel
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Er stand auf und rief ins Lokal: »Es ist wahr. Regieren ist so schön.« Das Hawelka lachte, der Bundeskanzler vollführte einen kleinen eleganten Slalom um die Tische. Bei der Tür verneigte er sich und bekam gutgelaunten und heftigen Applaus.
    Als er draußen war, beugte sich Felix Dauendin zu Astrid: »Wo ist denn der kleine Fraul? War doch auch eingeladen?«
    »Stimmt«, sagte Astrid, und es sah so aus, als würde Felix sie soeben an die Existenz von Karl Fraul erinnern. Sie blickte auf Apolloner.
    »Der wird heute nicht mehr kommen«, sagte der. Und Judith Zischka ergänzte die Mitteilung, indem sie mit dem ausgestreckten Daumen mehrmals in ihren offenen Mund hinein- und herausfuhr.
    »Zu viel gespechtelt«, sagte sie dann. Apolloner schaute sie vorwurfsvoll an. Judith zuckte die Achseln. Astrid von Gehlen drehte sich weg und begann mit Dietger Schönn zu sprechen.
    Tschonkovits kam auf Apolloner zu, schlug ihm auf die Schulter.
    »Das wars.« Und er holte sich einen Stuhl und setzte sich zu den Gauklern.
    28.
    Auch Herbert Krieglach war nicht im Hawelka erschienen, weil er auf der Nase gelegen war, nachdem er am Eingangsblock des dreiteiligen Denkmals trotz seiner wehen Handgelenke herumgehämmert hatte. Wie es seine Art war, führte er sich bei den gröberen Zurichtungen des Materials Flüssigkeitsmengen zu, die ihn mehr und mehr dehydrierten. Zu spät begann er mit dem Staub und dem Wodka schließlich Leitungswasser nachzuschlucken. Sein bleierner Künstlerhimmel hatte sich bereits auf ihn gelegt und wickelte ihn langsam und unaufhaltsam ein, sodass der schwere und zusammengekrümmte Körper des Bildhauers
unter der Bettdecke, da er das Bett grad noch erreichte, seinen Granit- oder Marmorblöcken glich. Er hatte die Arbeit für beendet erklärt und dem Bürgermeister vor einigen Tagen mitgeteilt, der Aufstellung des Werkes stünde nichts mehr im Wege. Der Bürgermeister hatte die Kulturstadträtin auf den Weg zu Krieglachs Atelier geschickt, damit sie die weitere Vorgehensweise mit dem Künstler bespreche und wie nebenbei einen Blick auf das Werk werfen möge. Sie erschien gegen zehn Uhr vormittags in Krieglachs Atelier, nachdem sie sich eine Viertelstunde davor telefonisch angekündigt hatte. Krieglach saß bereits im Ruderleiberl und bestens gelaunt unter seinen Sachen und trank schwarzen Kaffee, als sie läutete. Er führte sie herein und hieß sie Platz nehmen. Die Kulturstadträtin sah sich um, während Krieglach im Nebenraum verschwand, um ihr auch eine Tasse von seiner bitteren Brühe zu offerieren. Er stellte ihr den Kaffee hin, setzte sich gegenüber und schwieg sie lächelnd an.
    »Wo ist denn das Werk«, fragte sie nach einer Weile. Krieglach deutete nach links in einen anderen Nebenraum als den, aus dem er gekommen war.
    »Wollen wir es uns anschauen«, fragte die Kulturstadträtin und erhob sich.
    »Ich kenne es ganz gut«, grinste Krieglach und blieb sitzen.
    »Willst du es mir nicht zeigen?«
    »Meinetwegen.«
    Im riesigen Arbeitsraum sah die Kulturstadträtin einige verschieden hohe Gebilde, welche unter goldbraunen Tüchern verborgen waren.
    »Sie sind noch verhängt«, bemerkte sie erstaunt und näherte sich einem der Blöcke.
    »Das bleiben sie auch, Hedwig«, kicherte Krieglach, stellte
sich hinter sie und blies ihr seinen von der Pfeife frisch gerösteten Atem in den Nacken.
    »Was soll das? Schorschi will doch, dass ich mir das anschaue, und ich selber bin schon sehr gespannt.«
    »Wenn der Herr Bürgermeister den Scheißdreck sehen will, soll er herkommen.«
    »Mir willst du es nicht zeigen?«
    »Ihm auch nicht.«
    »Soso.« Die Kulturstadträtin marschierte hinter Krieglach wiederum aus dem Arbeitsraum fort, nahm Platz, zündete sich eine Zigarette an, schaute dem vor ihr Stehenden durch den ausgeblasenen Rauch ins Gesicht.
    »Zahlen sollen wir die zweite Rate, über den Standort und die Lage am Standort wollen wir reden, aber sehen dürfen wir gar nichts von all dem, was du so mühsam und sicherlich herrlichst geschaffen hast.«
    »Papperlapapp«, erwiderte Krieglach, warf einen Blick auf seinen Kaffee, ging zum Tisch, holte hinter Ausreibfetzen und Küchenrolle eine Flasche Klaren, goss eine Portion so in den Kaffee, dass das Verhältnis ungefähr halbe-halbe war, stellte die Flasche daneben und leerte seine Schale. Nachdem das Getränk unten war, nickte er, ergriff die Küchenrolle, schnäuzte sich, wischte sich den Mund ab und richtete seine himmelblauen Augen auf die

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